Alles Geschichte! 6, Schulbuch

182 QUERSCHNITT Migration aus politischen Gründen: Vertreibung, Flucht und Exil Politische Gründe für Migration sind meist Push-Faktoren, die von eingeschränkter gesellschaftlicher Teilhabe bis zur Bedrohung von Leib und Leben aufgrund der politischen Überzeugung reichen. Oft handelt es sich bei politischer Migration um eine erzwungene Flucht und/oder Vertreibung. Insgesamt war Migration aus politischen Gründen bis zum Ende des 18. Jh. eine Randerscheinung. Erst mit den bürgerlichen Revolutionen des 18. und vor allem 19. Jh. nahmen politische Gründe in Migrationsbewegungen eine wichtige Rolle ein – und haben sie noch heute. Exil und Verbannung Ein erzwungener Aufenthalt im Ausland wird als Exil bezeichnet. Oft wird versucht, aus dem Ausland die Geschehnisse im Heimatland zu beeinflussen und im Exil Verbündete für die eigenen Anliegen zu gewinnen. Typisch für Migration aufgrund politischer Faktoren ist der Wunsch, bald wieder in die Heimat zurückzukehren. Daher besteht bei politischen Migrantinnen und Migranten sowie Vertriebenen meist ein besonders hohes Interesse an den Entwicklungen und Geschehnissen im Herkunftsland. Die Strafe der Verbannung gab es bereits in der Antike – in Rom und in den griechischen Poleis. Dabei wurde die betroffene Person des Landes verwiesen. Gerade im antiken Griechenland war diese Form der erzwungenen Migration ein Mittel, um politische Gegner loszuwerden. M1: Unbekannt: Polnisches Paar vor seiner Behausung in Sibirien. Fotografie, 1905. Polnische Sozialistinnen und Sozialisten beteiligten sich an der russischen Revolution von 1905 und wurden daraufhin nach Sibirien verbannt. Aufnahme und Asyl Die Aufnahmebedingungen für politisch Vertriebene variierten in der Neuzeit innerhalb Europas recht stark. Die Solidarität in der Bevölkerung, aber auch bei den Entscheidungsträgern hing unter anderem davon ab, ob man die politischen Überzeugungen teilte bzw. die Fluchtgründe nachvollziehen konnte. Noch wichtiger war oft die ökonomische Situation der Vertriebenen: Konnten sich diese selbst versorgen, wurde ihnen eher Aufenthalt gewährt. Während religiöse Flüchtlinge in der Neuzeit teilweise bevorzugt behandelt wurden, entwickelte sich im 19. Jh. vielerorts auch ein eigener Status für politische Flüchtlinge. Heute ist politische Verfolgung ein anerkannter Asylgrund. Französische Revolutionsflüchtlinge Die erste größere politische Migrationsbewegung wurde Ende des 18. Jh. durch die Französische Revolution ausgelöst (s. S. 100–103). Während einerseits mit der Erklärung der Menschenrechte bahnbrechende zivilisatorische Fortschritte erzielt wurden, verfolgte man andererseits politische Gegner/innen mit großer Härte. So flüchteten rund 150 000 Französinnen und Franzosen aller Stände vor dem Terror und der Guillotine ins Ausland. Im ersten Jahr der Französischen Revolution 1789 ergriffen überwiegend Adelige und Wohlhabende die Flucht. Sie fürchteten, Opfer eines Aufstandes bzw. von Lynchjustiz zu werden. M2: Napoleon nach seiner Verbannung im Exil auf der britischen Atlantikinsel St. Helena. Zeichnung, 1896 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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