Alles Geschichte! 6, Schulbuch

172 LÄNGSSCHNITT Österreich als Großmacht und Vielvölkerstaat Maria Theresia – eine Frau auf dem Thron Kaiser Karl VI. starb 1740 ohne männlichen Erben. Er sorgte für den Fortbestand der Dynastie, indem er in der sogenannten Pragmatischen Sanktion die österreichischen Länder für unteilbar erklärte und die Möglichkeit einer weiblichen Erbin bot. Dennoch sah sich seine Tochter Maria Theresia bei ihrer Thronbesteigung mit zahlreichen Gegnern konfrontiert, welche sich auf Kosten ihres Erbes bereichern wollten. König Friedrich II. von Preußen marschierte in Schlesien ein. Der bayrische Kurfürst Ludwig drang mit französischer Hilfe in Böhmen ein und erklärte sich dort zum König. Die Kaiserwürde im Reich ging an die bayrischen Wittelsbacher verloren. Maria Theresia konnte sich trotzdem behaupten. Sie gewann England und Russland als Verbündete und so konnte mit Preußen letztlich Frieden geschlossen werden. Schlesien blieb verloren, doch die Bayern konnten zurückgedrängt werden und auch die Kaiserwürde erlangte ihr Ehemann Franz Stephan von Lothringen wieder. Maria Theresia setzte unter Einwirkung ihrer Berater zahlreiche Reformen um. Ihr Sohn Joseph II. führte das Reformwerk im Sinne der Aufklärung extensiv fort (s. S. 59). Österreich und Ungarn Nach verlorenen Kriegen gegen Preußen und Italien musste Kaiser Franz Joseph I., der seit 1848 den österreichischen Thron innehatte, Forderungen aus Ungarn nachgeben. Durch den sogenannten Ausgleich mit Ungarn im Jahr 1867 wurde die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn geschaffen. Damit bestand die Monarchie aus zwei gleichberechtigten Reichshälften: Transleithanien umfasste das Königreich Ungarn. Cisleithanien bezeichnete die im Reichsrat (im Parlament in Wien) vertretenen Länder, darunter die österreichischen Länder und Böhmen. M4: Österreichisch-Ungarisches Staatswappen mit der Devise „Indivisibiliter ac inseparabilter“ (Unteilbar und untrennbar). Druckgrafik, 1916 Franz Joseph I. war nun Kaiser von Österreich und König von Ungarn. Gemeinsamen Ministerien oblag die Außen- und Finanzpolitik sowie das Heerwesen der Doppelmonarchie. Verfassung und politische Bewegungen Nach dem Ausgleich mit Ungarn erließ Franz Joseph I. 1867 auch Staatsgrundgesetze, die Österreich zu einer konstitutionellen, also an eine Verfassung gebundene Monarchie machten. Dabei folgte man dem Grundsatz der Gewaltenteilung, wobei diese durch Schlupflöcher wie Notverordnungen ausgehöhlt werden konnten. Das Wahlrecht umfasste zunächst alle besitzenden Männer. Frauen und Mittelose waren ausgeschlossen. Durch spätere Erweiterungen des Wahlrechts entwickelten sich die unterschiedlichen politischen Lager zu Massenparteien, die auch heute noch die Politik bestimmen. Die Sozialdemokratische Partei verstand sich als Vertretung der Arbeiter/innen. Ihr Ziel waren Verbesserungen der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter/innen. Die Christlichsoziale Partei, der Vorläufer der heutigen Volkspartei, vertrat vor allem die Interessen von Handwerkern und Gewerbetreibenden, um die Jahrhundertwende aber auch das Bürgertum und Bauern. Das deutschnationale Lager bestand aus mehreren politischen Gruppierungen und hatte zum Ziel, die (vorrangige) Stellung der Deutschen in der Habsburgermonarchie zu erhalten. Liberale und nationale Weltanschauungen dominierten, aber auch der Anschlussgedanke an Deutschland war den Deutschnationalen nicht fremd. Vielvölkerstaat Neben Deutschen und Ungarn lebten im Vielvölkerstaat der Habsburger aber auch andere Ethnien, die nicht die Privilegien der „Österreicher“ und Ungarn genossen. Die größte Gruppe waren die Slawen, die schließlich auch eine Lösung wie Ungarn anstrebten. Mit dem verlorenen Ersten Weltkrieg 1918 löste sich die Monarchie auf und die einzelnen Völker erlangten ihre Eigenstaatlichkeit. Jetzt bist du dran: 1. Fasse den Ausgleich mit Ungarn in eigenen Worten zusammen. 2. Diskutiere in der Klasse, inwiefern auf dem Wappen M4 der Vielvölkerstaat dargestellt ist und welche Probleme sich hinter der vielbeschworenen Einheit verbargen. 3. Ermittle mit Hilfe der Karte M3 (s. S. 171) welche Ethnien in der Habsburgermonarchie lebten. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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