Alles Geschichte! 6, Schulbuch

167 Trachten als nationale Identität Welche Kleidung getragen wurde, hing vor dem 19. Jh. vom Stand der jeweiligen Person ab. Mit den aufkommenden Nationalstaaten wurde die Tracht nun einer bestimmten Region zugeschrieben. Die unterschiedliche Gestaltung der Kleidung wurde somit ein Erkennungszeichen und Symbol für Volksgruppen. Mit der im Zuge der Romantik aufkommenden Verklärung des ländlichen Lebens zur Idylle wurden bäuerliche Kleidungsstücke vom Adel auf Sommerfrische übernommen. Allerdings waren Machart und Stoffe hochwertiger. Diese Tracht diente auch dazu, Volksnähe auszustrahlen und eine Verbindung zu den Untertanen zu schaffen. M3: Unbekannt: Elisabeth als Königin von Ungarn. Fotomontage einer ungarischen Adelstracht (Magnatentracht) mit dem Kopf von Elisabeth von Ludwig Angerer, 1860 Klischeehafte Volkstypendarstellungen Die ersten Volkstypendarstellungen kamen im 18. Jh. auf, aber erst nach 1870 wurde mit der fotografischen Reproduktion eine große Verbreitung ermöglicht. Volkstypenfotografien wurden als Sammelbilder für Reisende und Interessierte angeboten. Weiters fanden sie bei Lichtbildvorträgen, in Sachbüchern, Zeitungen usw. Verwendung. Die Volkstypenfotografien waren meist keine individuellen Alltagsdarstellungen, sondern Stereotype, die als typisch für eine Region galten. Volksgruppenauftritte auf Festzügen Anlässlich der Feier zum 25. Jahrestag der Vermählung des Kaiserpaares veranstaltete die Haupt- und Residenzstadt Wien am 27. April 1879 einen Festzug. Neben Studentengruppierungen, Veteranen (= ehemalige Soldaten) und Vereinen traten dabei auch die Delegationen von Schützenvereinen aus allen Teilen der Monarchie in verschiedenen Trachten auf. Der vom Maler und Ausstattungskünstler Hans Makart gestaltete historische Kostümzug umfasste 40 Gruppen, wie die historische Jagd, Gartenbau, Handel, Eisenbahn u.a., mit über 2000 Teilnehmenden in historischen Kostümen und Trachten. Weit stärker unter dem Thema des Vielvölkerstaates stand der Kaiser-Huldigungs-Festzug, der anlässlich des 60-jährigen Regierungsjubiläums am 12. Juni 1908 veranstaltet wurde. Der dreigeteilte Festzug zeigte zuerst die historische Vergangenheit der Habsburger, die Teilnehmenden trugen von Künstlern entworfene Kostüme. Der folgende Teil war eine Huldigung der Genossenschaften und der dritte Teil war der Festzug der Nationalitäten, die sich in den typischen Volkstrachten präsentierten. Die Unzufriedenheit mancher Volksgruppen in Österreich-Ungarn zeigte sich bei diesem Umzug, da diese aus Protest gegen die politische Ungleichbehandlung die Teilnahme ablehnten. Das Scheitern der Idee des Vielvölkerstaates Nach dem Ausgleich mit der ungarischen Reichshälfte im Jahr 1867, durch den die ungarische Bevölkerung der deutschsprachigen Bevölkerung gleichgestellt wurde, brach die Vision des Vielvölkerstaates schrittweise zusammen. Die angestrebte Gleichstellung der slawischen Volksgruppen blieb aus, wodurch sich die nationalistischen Unabhängigkeitsbestrebungen ausweiteten. Schlussendlich brach die österreichisch-ungarische Monarchie auseinander. Jetzt bist du dran: 1. Ermittle aus der Quelle M1 die genannten Länder, Regionen und Städte. Ordne diese den heutigen Staaten zu. Arbeite die Titel heraus, die 1914 nur noch historische Bedeutung hatten. 2. Erkläre anhand der Quelle M2 die Konstruktion der Identität des Kaisertums Österreichs. 3. Diskutiere die Absicht der Bildmanipulation M3. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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