Alles Geschichte! 6, Schulbuch

159 Aufruf an die Kulturwelt (4. Oktober 1914) Wir als Vertreter deutscher Wissenschaft und Kultur erheben vor der gesamten Kulturwelt Protest gegen die Lügen und Verleumdungen, mit denen unsere Feinde Deutschlands reine Sache in dem ihm aufgezwungenen schweren Daseinskampfe zu beschmutzen trachten. Der eherne (= eiserne) Mund der Ereignisse hat die Ausstreuung erdichteter deutscher Niederlagen widerlegt. Um so eifriger arbeitet man jetzt mit Entstellungen und Verdächtigungen. Gegen sie erheben wir laut unsere Stimme. Sie soll die Verkünderin der Wahrheit sein. Es ist nicht wahr, daß Deutschland diesen Krieg verschuldet hat. Weder das Volk hat ihn gewollt noch die Regierung noch der Kaiser. Von deutscher Seite ist das Äußerste geschehen, ihn abzuwenden. Dafür liegen der Welt die urkundlichen Beweise vor. Oft genug hat Wilhelm II. in den 26 Jahren seiner Regierung sich als Schirmherr des Weltfriedens erwiesen; oft genug haben selbst unsere Gegner dies anerkannt. Ja, dieser nämliche Kaiser, den sie jetzt einen Attila [= Name des Hunnenkönigs] zu nennen wagen, ist jahrzehntelang wegen seiner unerschütterlichen Friedensliebe von ihnen verspottet worden. Erst als eine schon lange an den Grenzen lauernde Übermacht von drei Seiten über unser Volk herfiel, hat es sich erhoben wie ein Mann. Es ist nicht wahr, daß wir freventlich die Neutralität Belgiens verletzt haben. Nachweislich waren Frankreich und England zu ihrer Verletzung entschlossen. Nachweislich war Belgien damit einverstanden. Selbstvernichtung wäre es gewesen, ihnen nicht zuvorzukommen. Es ist nicht wahr, daß eines einzigen belgischen Bürgers Leben und Eigentum von unseren Soldaten angetastet worden ist, ohne daß die bitterste Notwehr es gebot. Denn wieder und immer wieder, allen Mahnungen zum Trotz, hat die Bevölkerung sie aus dem Hinterhalt beschossen, Verwundete verstümmelt, Ärzte bei der Ausübung ihres Samariterwerkes ermordet. Man kann nicht niederträchtiger fälschen, als wenn man die Verbrechen dieser Meuchelmörder verschweigt, um die gerechte Strafe, die sie erlitten haben, den Deutschen zum Verbrechen zu machen. Es ist nicht wahr, daß unsere Truppen brutal gegen Löwen gewütet haben. An einer rasenden Einwohnerschaft, die sie im Quartier heimtückisch überfiel, haben sie durch Beschießung eines Teils der Stadt schweren Herzens Vergeltung üben müssen. Der größte Teil von Löwen ist erhalten geblieben. Das berühmte Rathaus steht gänzlich unversehrt. Mit Selbstaufopferung haben unsere Soldaten es vor den Flammen bewahrt. – Sollten in diesem furchtbaren Kriege Kunstwerke zerstört worden sein oder noch zerstört werden, so würde jeder Deutsche es beklagen. Aber so wenig wir uns in der Liebe zur Kunst von irgend jemand übertreffen lassen, so entschieden lehnen wir es ab, die Erhaltung eines Kunstwerks mit einer deutschen Niederlage zu erkaufen. […] M1: Aus: Böhme (Hg.): Aufrufe und Reden deutscher Professoren im Ersten Weltkrieg, 1975, S. 48. M2: René Frebet: Wilhelm II. als Kriegsherr. „Les Porcs Epiques ( )“. Französische Bildpostkarte, Karikatur, 1915 Jetzt bist du dran: 1. Analysiere die Karikatur (M2). 2. Vergleiche deine Ergebnisse mit deiner Betrachtung von M5 in Kapitel 3.14 (S. 151). 3. Fasse die wesentlichen Aussagen aus dem Aufruf an die Kulturwelt (M1) zusammen. Untersuche danach die Argumentation des Autors bzw. der Unterzeichner. 4a. Diskutiere auf Grundlage deiner Erkenntnisse aus den Aufgaben 1–3, welche Konstruktionen der Vergangenheit aufeinandertreffen. 4b. Dekonstruieren diese auf Basis deines Sachwissens. Erläutere, welche Darstellungen propagandistische Übertreibungen sein könnten. 5. Lies den Kommentar „Der hässliche Deutsche trägt keinen Stahlhelm mehr“ im Onlinematerial. Arbeite heraus, welche Aktualisierung das Bild hier erfährt. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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