155 Grenzen früher Die frühesten Begrenzungen stammen aus der Urgeschichte. Sie dienten dazu, Siedlungen oder Plätze zu befestigen. Eine große Ausdehnung hatte der römische Limes, der das Römische Reich von den Territorien außerhalb sichtbar trennte und ein Raum des Austauschs und Handels war. Im Mittelalter und in der Neuzeit wurden Burgen und Befestigungsanlagen an Grenzen errichtet. Weit verbreitet waren Zollstationen an Straßen, Brücken, Furten und Stadtmauern, um Steuern und Maut für transportierte Waren einzuheben. Eine systematische Erfassung und Vermessung von Grenzen sowie ihre Kennzeichnung und Überwachung gab es allerdings bis ins späte 19. Jh. kaum. Erst mit der Zunahme der Bevölkerung und der den Sprachgrenzen folgenden Nationalisierung wurde eine genaue Grenzziehung wichtiger. Im 18. Jh. wurden in Österreich erste Versuche unternommen, die Grundstücksgrenzen in einem Kataster zunächst vorrangig zur Bestimmung der Grundsteuerleistung zu vermessen. Durch die Verbesserung der Kartografie wurde das Land immer genauer vermessen. Der Historiker Klaus Rumpler zu unklaren Hoheitsverhältnissen Das Obere Mühlviertel war als österreichisches Hoheitsgebiet zugleich Teil des passauischen Reichslehens und Teil des Reichsfürstentums Passau, in dem ein passauischer Landrichter in Velden (= Neufelden) saß und Recht sprach. So konnte es auch geschehen, daß bei Streitigkeiten um die Feste Pürnstein im 15. Jahrhundert die österreichischen Landesfürsten Albrecht V. und Friedrich III. behaupteten, die Burg sei im Fürstentum Österreich ob der Enns gelegen, während der Passauer Bischof dagegenhielt, das Gericht zu Velden […] und das „Mühelland“ gehörten zu Passau und nicht zur Hauptmannschaft ob der Enns. M2: Aus: Mühlviertler Katalog zur Landesausstellung 1988, S. 290 (alte Rechtschreibung). Grenzziehungen außerhalb Europas wurden im imperialistischen Zeitalter auch mit einem Lineal auf einer Karte gezogen. Solche Grenzen existieren z.B. in Nordamerika, Nordafrika, im Nahen und Mittleren Osten. Grenzen heute Auf der ganzen Welt gibt es heute Konflikte um Grenzverläufe und die damit verbundenen Gebietsansprüche. Dabei geht es zum Teil um große oder ressourcenreiche Regionen, deren Zugehörigkeit von zwei Ländern beansprucht wird. Meist wird dabei als Legitimation die Ausbreitung des historischen Territorialbereichs angeführt. Die Türkei beansprucht Teile der Antarktis (2017) Istanbul/Antarktis – Der türkische Wissenschaftsminister Faruk Özlü hat angekündigt, dass die Türkei Ansprüche auf Teile der Antarktis erheben will. Denn ein osmanischer Seefahrer habe die Antarktis entdeckt, begründete der Politiker seinen Vorstoß. Deswegen plane die Türkei den Aufbau eines Forschungszentrums in der Antarktis, zitierte die regierungskritische Tageszeitung „Cumhuriyet“ Özlü am Samstag. Für das Forschungszentrum werde zunächst einmal eine türkische Delegation in die Antarktis fahren, so der Abgeordnete der islamisch-konservativen AKP-Regierung. Welche Gebiete der Antarktis Ankara einfordern wolle, ließ der Wissenschaftsminister offen. M3: Austria Presse Agentur: Türkischer Wissenschaftsminister fordert Teile der Antarktis, in: Standard, 5.2.2017. Online auf: www.derstandard.at (30.9.2022). Grenzen haben sich im Laufe der Neuzeit verschoben, manche politischen Grenzen sind ganz verschwunden. Trotzdem bleiben diese historischen Räume und ihre Aufteilung in der Architektur, den Siedlungsstrukturen, dem Wahlverhalten und im sozialen Handeln der Menschen erhalten. Dieses Phänomen wird als Phantomgrenzen bezeichnet. Heute betrifft das vor allem den osteuropäischen Raum, da sich die Grenzen in dieser Region seit dem 18. Jh. wiederholt verändert haben. Aber auch Umfragen aus Österreich zeigen, dass sich Österreicherinnen und Österreicher mit Gebieten der k. u. k. Monarchie auch nach 100 Jahren noch persönlich verbunden fühlen. Jetzt bist du dran: 1. Erörtere mögliche Absichten der Initiatoren des Kunstprojekts (M1) an der Grenze zwischen Mexiko und den USA. 2. Fasse anhand von M2 die Probleme der Grenzziehung in der frühen Neuzeit zusammen. 3. Diskutiere die Gültigkeit des in der Zeitungsmeldung M3 dargestellten Gebietsanspruchs der Türkei an Teilen der Antarktis. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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