Alles Geschichte! 6, Schulbuch

154 4. Instrumentalisierung von Geschichte 4.1 Grenzen und Grenzziehungen Die Geschichtswissenschaft versucht, die einzelnen Aspekte der Geschichte der Menschen methodisch fundiert zu erforschen, um eine möglichst objektive Rekonstruktion der historischen Abläufe zu ermöglichen. Geschichte wurde und wird aber auch zur Rechtfertigung und als Beleg für unterschiedliche politische Sichtweisen und Ziele benutzt. Diese Verwendung wird als Instrumentalisierung bezeichnet. Instrumentalisierung von Geschichte erfolgt in einer großen Bandbreite, angefangen bei der Umdeutung von Ereignissen über Auslassungen und Verzerrungen bis hin zu tatsächlichen Manipulationen und Fälschungen. Gebrauch und Missbrauch von Geschichte liegen oft sehr nahe beieinander, da unterschiedliche Blickwinkel verschiedene Ergebnisse liefern können. Eine staatliche Vereinnahmung von Geschichte geschah und geschieht vor allem in autoritären Staaten, doch auch in Staaten mit einer politischen Vielfalt, wie einer Demokratie, können bestimmte Sichtweisen der Geschichte von politischen Akteuren bevorzugt propagiert werden. Drei Elemente kennzeichnen einen Staat: die Bevölkerung, das Territorium und die vorherrschende politische Ordnung. Damit unterscheiden sich Staaten voneinander. Die meisten Grenzen von Staatsgebieten sind heute aufgrund von Verträgen zwischen den Staaten und historischen Gebräuchen klar definiert. Wo keine klaren Regelungen existieren, kommt es zu Grenzkonflikten, bei denen oft historische Belege als Grundlage herangezogen werden. Es gibt aber nicht nur geografische und politische, sondern auch soziale, kulturelle, sprachliche und religiöse Grenzen, die mitunter auch Auswirkungen auf die politischen Grenzziehungen haben. Wusstest du, dass … … das deutsche Wort Grenze aus dem Altslawischen entlehnt ist und im 15. Jh. in Gebrauch kam (polnisch: granica)? … die längste heute zwischen zwei Ländern bestehende Landesgrenze jene zwischen den USA und Kanada ist – mit einer Länge von 8891 km? … der Mauernkomplex, der zwischen dem 15. und 17. Jh. im Norden Chinas zur Grenzsicherung errichtet wurde, eine Länge von 21 196 km aufweist? … der Fundort der Eismumie Similaun, besser bekannt als Ötzi, nach den Festlegungen des internationalen Grenzfestlegungsausschusses von 1920 auf italienischer Seite liegt, aber bei einem vollständigen Abtauen des Gletschers zum österreichischen Staatsgebiet gehört? … es eine große Anzahl von Orten und Städten gibt, die durch Landesgrenzen voneinander getrennt sind? … Staatsgrenzen auch in das Erdreich darunter und in den Luftraum darüber reichen? M1: Wippen für Kinder über die Grenze hinweg, Kunstinstallation von Virginia San Fratello, Ronald Rael (USA) und der Künstlergruppe Colectivo Chopeke (Mexiko) am Grenzzaun zwischen den USA und Mexiko. Fotografie, 2019 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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