Alles Geschichte! 6, Schulbuch

153 Mangel führt zu Protesten Die schlechte Versorgungslage und die damit einhergehende Zunahme von Todesfällen in der Zivilbevölkerung führten in Teilen der Bevölkerung zu Unzufriedenheit. Dazu kamen die Trauer um gefallene Männer und Söhne und die Angst um Angehörige an der Front. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich-Ungarn gab es Demonstrationen, Aufstände und Plünderungen, die aber von der Exekutive niedergeschlagen wurden. In Wien ereigneten sich im Mai 1916 die ersten Lebensmittelrevolten. Jugendliche Gruppen randalierten und erbeuteten Lebensmittel, während sich vor allem Frauen zu einem Protestzug in die Innenstadt aufmachten. Die Polizei verhaftete zahlreiche Demonstrierende und die Zensur verhinderte, dass in Medien über die Revolten berichtet wurde. Ein Bericht der k. u. k. Polizeidirektion Wien vom 18. Mai 1916 Die erregte Stimmung der Bevölkerung hat am 11. d.M. [des Monats] am Markte Eugenplatz im X. Bez, [sic] zu Ausschreitungen (Hungerkrawalle) geführt, die in den folgenden Tagen auch auf die Bezirke Rudolfsheim und Schmelz übergriffen. Auch auf den Märkten der übrigen Bezirke […] gab es erbitterte Massenansammlungen […]. Die Demonstrierenden stiessen vorzugsweise Rufe aus, wie „Wir haben Hunger, wir müssen mit unseren Kindern hungern, gebt uns was zu essen, nieder mit den Preistreibern, wir wollen Frieden haben“ etz. M3: Fritz: Hunger und Protest. Online auf: www.habsburger.net (12.10.2022). Frauen in der Heimat Während vor allem Männer an der Front kämpften, waren Frauen an der „Heimatfront“, dem Hinterland, mit Mangel in sämtlichen Lebensbereichen konfrontiert. Sparratschläge der Regierung und entsprechende Kochrezepte sollten ihnen helfen, die Familie zu ernähren. Auf dem Land mussten sie Höfe allein bewirtschaften. In Städten wurden Frauen unter anderem in die Rüstungsindustrie geholt, und sie hielten die öffentliche Infrastruktur aufrecht. Durch den Männermangel gelangten sie in Tätigkeiten, die ihnen bisher vorenthalten waren, wie Schaffnerinnen oder Briefträgerinnen. Allerdings wurden sie geringer entlohnt als die männlichen Arbeitskräfte zuvor. Zahlreiche Frauen unterstützten die Front durch Arbeit in Nähstuben, wo Kleidung für die Soldaten hergestellt wurde, und Sammelaktionen für Kriegsfürsorgevereine. Frauen im Kriegsdienst Vor allem in älteren Publikationen und populären Darstellungen wird die Zweiteilung der Front als männliche Domäne und des Hinterlandes als weibliche Domäne betont und reproduziert. Aber auch an der Front waren Frauen beschäftigt – als Krankenschwestern, Hilfskräfte und in Einzelfällen als Soldatinnen. Tätigkeiten wie die Krankenversorgung führten einige Frauen unentgeltlich und unabhängig von ihrer sozialen Herkunft als solidarischen Beitrag aus. Frauen nach dem Krieg Die Dynamik der Kriegsjahre in Bezug auf die Emanzipation der Frauen und die Veränderung ihrer gesellschaftlichen Rolle wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Nach dem Krieg, als die Männer von der Front und Kriegsgefangenschaft heimkehrten, wurden die Frauen wieder aus dem Berufsleben verdrängt. Trotz der erstarkenden Emanzipations- und Frauenrechtsbewegung herrschte das bürgerliche Familienbild, welches „die Frau am Herd“ sah, die nächsten Jahrzehnte vor. Politisch erlangten Frauen nach dem Zusammenbruch der Monarchien in Deutschland und Österreich allerdings 1918 das Wahlrecht. M4: Unbekannt: Straßenbahnschaffnerinnen in Berlin-Charlottenburg. Fotografie, 1917 (Ausschnitt) Jetzt bist du dran: 1. Beschreibe mithilfe des Autorentextes und der Quellen M2, M3 und M4 die Situation der Bevölkerung, insbesondere der Kinder und Frauen, in eigenen Worten. 2. Analysiere das Plakat M1. Gehe auf die dargestellten Personen ein. Überlege, welcher Zweck den Käufern der Kriegsanleihen hier vermittelt wird. 3. Arbeite aus dem Polizeibericht (M3) die Forderungen der Demonstrierenden heraus. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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