152 3.15 Leben hinter der Front Der Begriff „Heimatfront“ bezeichnet die Beteiligung und die Einbeziehung der zivilen Bevölkerung und ihrer Ressourcen in einen Krieg. Diese Beteiligung ist bei großen und langen Kriegen nötig, um diese industriell und logistisch überhaupt führen zu können. Dies forderte im Ersten Weltkrieg Entbehrungen von der Zivilbevölkerung. Zudem wurden Zivilpersonen auch Opfer von Kriegsverbrechen. Kriegswirtschaft und Anleihen Der Erste Weltkrieg verschlang als industrialisierter Krieg ungeheure Mengen an Kriegsmaterial und Geld. Neben der Versorgung der Millionenheere mussten vor allem Granaten, Munition und Waffen in großen Mengen produziert werden. Ressourcen wie Kohle flossen vor allem in die Rüstungsproduktion und in die Eisenbahn, die für die Versorgung der Front nötig war. Das erforderliche Geld versuchte man über Kriegsanleihen einzunehmen. Die Bevölkerung oder Firmen und Gesellschaften konnten diese verzinsten Anleihen vom Staat erwerben. M1: Erwin Puchinger: Österreichisches Plakat für eine Kriegsanleihe. Wien, Oktober 1915 Sowohl für Deutschland und Russland als auch für die Habsburgermonarchie waren Kriegsanleihen ein wichtiges Mittel zur Kriegsfinanzierung. In der ungarischen Reichshälfte wurden 17 und in der österreichischen acht Anleihen über mehr als 50 Mrd. Kronen aufgelegt. Da die Rentabilität, d. h. die Erträge solcher Anleihen vom Ausgang des Krieges abhingen, war das Geld nach der Niederlage samt der erhofften Gewinne für die Anleger/innen verloren. Mangelwirtschaft Da vor allem Kriegsgüter produziert wurden, mangelte es zusehends an Rohstoffen und an zivilen Gütern wie Kleidung. Vor allem in den Ländern der Mittelmächte verschlimmerte sich die Lage durch Seeblockaden der Briten mit zunehmender Kriegsdauer. Rationierungen bzw. Beschlagnahme von Gütern wie Gas, Benzin und Lebensmitteln, die Reduktion der Beleuchtung im öffentlichen Bereich und Mangel an Heizmaterial bestimmten das Leben. Um die Mängel auszugleichen, errichtete man Sammelstellen für Altkleider. Kriegswichtiges Material versuchte man wenig erfolgreich über „Metallmobilmachungsstellen“ einzunehmen. Auch Kirchenglocken wurden eingeschmolzen. Nahrungsmangel und Versorgung Da die Bauern auf den Feldern ebenso fehlten wie Düngemittel und die vielen Soldaten an den Fronten versorgt werden mussten, wurden im Zusammenspiel mit der Seeblockade auch Nahrungsmittel knapp. Ab 1915 wurden Grundnahrungsmittel rationiert und nur noch gegen Bezugskarten ausgegeben. Wer über genügend Geld verfügte, konnte auf dem Schwarzmarkt Lebensmittel erwerben. Mit zunehmender Kriegsdauer waren immer mehr Menschen unterernährt und auf Hilfe angewiesen. M2: Scherl: Kinderspeisung. Fotografie, 1915 Die Lage war besonders in dicht besiedelten Städten, wo sich die Bewohner/innen kaum selbst versorgen konnten, katastrophal. Vor allem nach Ende des Krieges versuchte die Stadtbevölkerung daher, bei den bäuerlichen Betrieben im Umland Nahrung zu „hamstern“ (= horten), also zu kaufen oder gegen Sachwerte einzutauschen, oder zu erbitten. Außerdem sammelte man Holz in den Wäldern. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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