140 3.9 Der Balkan – Brennpunkt von Konflikten Im geografischen Raum „Balkan“ stritten im späten 19. Jh. Großmächte um Einfluss, während kleinere Staaten ihre Unabhängigkeit erreichten. Auch im Vorfeld des Ersten Weltkrieges spielte der Balkan eine wichtige Rolle. Osmanische Herrschaft Seit der Einnahme Konstantinopels (heute: Istanbul) durch die Osmanen 1453 geriet der Südosten Europas, der bislang unter griechisch-byzantinischem Einfluss stand, unter osmanische Kontrolle. Die eroberten Gebiete wurden in den osmanischen Vielvölkerstaat eingegliedert oder existierten als politisch abhängige Staaten weiter. Der osmanische Herrschaftsbereich am Balkan umfasste etwa das heutige Griechenland, Serbien, Albanien, Makedonien, Bulgarien und Montenegro. Neben das am Balkan verbreitete orthodoxe Christentum trat nun der Islam. Korinth Athen Kandia Smyrna Brussa Ismid Konstantinopel Midia Rodosto Gallipoli Adrianopel Kirk Kilisse Burgas Warna Konstanza Silistria Bukarest Galatz Odessa Kronstadt Hermannstadt Czernowitz Munkacs Temesvár Belgrad Widin Sofia Nisch Sarajewo Mostar Agram Laibach Gödöllö Budapest Preßburg Wien Graz Linz Zara Spalato Ragusa Cetinje Durazzo Otranto Brindisi Larissa Saloniki Strumica Skopje Ipek Philippopel ÖSTERREICH-UNGARN RUMÄNIEN BULGARIEN SERBIEN MONTENEGRO GRIECHENLAND I TAL IEN RUSSLAND OSMANISCHES REICH Siebenbürgen Ostrumelien Bessarabien BosnienHerzegowina Dalmatien Sandschak Nowipasar Thessalien Peloponnes Kreta (Kriti) Dodekanes Kroatien-Slawonien Dobrudscha Makedonien Albanien 1912/13unabh., 1914Fsm. 1912 von Italien besetzt 1908 von Österr.- Ungarn annektiert 1882 Kgr. 1881 Königreich 1908 unabh. Kgr. 1913 bulg. 1913 griech. 1913 serb. 1913 bulg. 1881 griech. 1913 griech. 1885 bulg. 1898 auton. unter türk. Oberheit, 1908/12 an Griechenland Mittelmeer Ion i sches Meer Schw. Meer Ägä i s Adr i a 0 100 200 km Grenze des Osmanischen Reiches 1912 Osmanisches Reich 1915 Von osmanischer Herrschaft befreite Gebiete sind in Flächenfarben dargestellt. Die Zahlen geben das Jahr der Befreiung an. M1: Der Balkan von 1878 bis 1915 Am südlichen Balkan kämpften die Venezianer ab dem 15. Jh. in acht Kriegen gegen die Osmanen. Am nördlichen Balkan war die Habsburgermonarchie der Hauptgegner. Höhepunkt der osmanischen Expansion war die Zweite Wiener Türkenbelagerung 1683. Nachdem sie vor Wien abgewehrt worden waren, gerieten die Osmanen am Balkan allmählich unter Druck. Neben den Habsburgern am Balkan bedrängte Russland die Osmanen auf der Krim. Russland unterstützte zunehmend die Völker am Balkan in ihren Unabhängigkeitsbestrebungen gegenüber den Osmanen und baute somit den eigenen Einfluss am Balkan aus. Aufstände gegen die osmanische Herrschaft Durch die außenpolitischen Probleme und inneren Schwächen des Osmanischen Reiches kam es im frühen 19. Jh. zu Aufständen gegen dessen Herrschaft am Balkan. Ab 1803 fand in Serbien mit russischer Hilfe eine nationale Erhebung statt, die in der Anerkennung der vollständigen Unabhängigkeit des Fürstentums Serbien 1833 mündete. 1821 revoltierten die Griechen erfolgreich gegen die osmanische Herrschaft und erlangten 1832 die volle staatliche Souveränität (s. S. 111). 1876 kam es auch in Bulgarien zu Volkserhebungen, 1908 erlangte es schließlich die Unabhängigkeit, mit einem Zaren an der Spitze. Neuordnung der Verhältnisse Am Berliner Kongress 1878 wurde versucht, die durch die Konflikte mit den Osmanen entstandene Balkankrise zu lösen und eine Neuordnung zu schaffen. Auf Kosten der Osmanen erhielten einige Völker am Balkan ihre Unabhängigkeit, während Russland Gebiete im Südkaukasus zugesprochen bekam und Österreich-Ungarn die Erlaubnis erhielt, Bosnien-Herzegowina zu besetzen. Annexion Bosniens durch Österreich-Ungarn 1878 wurde Bosnien von Österreich-Ungarn besetzt. 30 Jahre später, 1908, bot sich Österreich-Ungarn die Gelegenheit zur vollständigen Annexion (= staatliche Einverleibung) Bosniens, da das Osmanische Reich im Inneren abermals geschwächt war. Dieser Schritt löste in Russland in Kreisen mit panslawistischer Anschauung sowie in Serbien und natürlich bei den Osmanen Proteste aus. Die Öffentlichkeit und die Medien in Österreich nahmen die Annexion Bosniens wenig enthusiastisch auf. Man fürchtete mehr Probleme als Nutzen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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