138 3.8 Deutschland und Italien werden Nationalstaaten Das Deutsche Reich Bereits während der napoleonischen Kriege wurden erste politische und territoriale Grundlagen für die Errichtung eines eigenen deutschen Nationalstaates gelegt. Dazu gehörten die Bildung des Rheinbundes, die Zusammenführung von Kleinstaaten und Reichsstädten mit größeren Staaten und die Sicherung der Kaiserwürde durch Franz I. für das Haus Habsburg (s. S. 106). Zudem bildete sich in den Befreiungskriegen gegen Napoleon ein nationales Bewusstsein der Bevölkerungen in den unterworfenen Staaten, so auch in Deutschland. Nationale und liberale Bewegungen nach dem Wiener Kongress Die Gründung des Deutschen Bundes, eines losen Staatenbundes, am Wiener Kongress hatte nationale Bewegungen in den deutschen Staaten enttäuscht, die sich einen deutschen Einheitsstaat erhofft hatten. Zudem wurden liberale und demokratische Bestrebungen durch die nachfolgende Restauration unterdrückt (s. S. 112). Eine Auswirkung war die Gründung der Deutschen Burschenschaft in Jena 1815. Die studentischen Verbindungen widmeten sich unter den Reichsfarben Schwarz/Rot/Gold und dem Motto „Ehre, Freiheit, Vaterland“ dem Deutschtum, etwa der Pflege deutscher Traditionen und dem Erhalt deutscher Volkstümlichkeit. Zudem verfolgten sie liberale Ideen. 1819 wurde die Burschenschaft verboten, ihre Vertreter blieben aber weiterhin politisch aktiv. Einzelverfassungen und deutscher Zollverein Ab 1814 erließen die Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes eigene Verfassungen. Diese gründeten auf dem monarchischen Prinzip, allerdings – in unterschiedlichem Ausmaß – mit Volksbeteiligung und unter Beschränkung der Rechte der Herrscher/innen. 1834 wurde der Deutsche Zollverein ohne Teilnahme Österreichs gegründet. Die Zollschranken fielen, Maße, Gewichte und Währungen wurden vereinheitlicht. In den 1840er Jahren verstärkten sich im deutschen Gebiet nationale Strömungen. Es entstanden patriotische Lieder, auch das Deutschlandlied, dessen dritte Strophe die heutige deutsche Nationalhymne ist. Märzrevolution Nationale und liberale Bewegungen sowie soziale Konflikte aufgrund der industriellen Revolution führten 1848 zu Aufständen in den deutschen Ländern. Am 18. März 1848 kam es in Berlin zu Straßenkämpfen. Unter dem Druck der Aufständischen versprach der preußische König die Bildung einer Nationalsversammlung zur Entwicklung einer Verfassung für einen deutschen Staat, in dem Preußen aufgehen sollte. In den Beratungen wurden zwei Möglichkeiten diskutiert: • Großdeutsche Lösung: ein Bundesstaat mit Österreich unter der Führung der Habsburger. • Kleindeutsche Lösung: Nationalstaat ohne Österreich unter der Führung Preußens. Es wurde jedoch kein endgültigen Ergebnis erzielt. Otto von Bismarck – Stratege der Einheit Seit 1857 regierte König Wilhelm II. mit Otto von Bismarck als preußischer Ministerpräsident. Bismarck war entschlossen, eine deutsche Einigung mit einem starken Preußen zu erreichen, weshalb er unter anderem das preußische Heer stärkte und reformierte. Außerdem versuchte Bismarck, Österreich zu schwächen und aus dem Deutschen Bund zu vertreiben. In der Schlacht bei Königgrätz 1866 wurde Österreich von Preußen vernichtend geschlagen. Es musste der Auflösung des Deutschen Bundes und einer Neugestaltung der deutschen Staaten durch Preußen zustimmen. 1866 gründete Bismarck den Norddeutschen Bund unter preußischer Führung. 1870 siegte Preußen zusammen mit dem Norddeutschen Bund und den süddeutschen Staaten im Krieg gegen Frankreich. Dies führte schließlich zur Gründung des Deutschen Reiches als Bundesstaat. Am 18. Jänner 1871 wurde im Spiegelsaal von Schloss Versailles Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser ausgerufen. Bismarck wurde Reichskanzler. M1: Gustav Brandt: Otto von Bismarck als Siegfried aus der Nibelungensage, der ein Schwert schmiedet. Aus: Kladderadatsch, Karikatur, 1870 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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