Alles Geschichte! 6, Schulbuch

137 Die Besinnung auf eine gemeinsame Geschichte, Sprache, eigene Traditionen usw. führte dazu, dass sich die Gemeinschaften bzw. Völker verstärkt verglichen, miteinander in Konkurrenz traten und vor allem sich voneinander abgrenzten. Außerdem wurden Menschen, die nicht der eigenen Gemeinschaft angehörten, ausgegrenzt. Dies führte im 19. Jh. zu einer Radikalisierung des nationalen Denkens, es entwickelte sich der Nationalismus. Juneja und Wenzlhuemer über den Nationalismus Nationalismus zielt im Wesentlichen auf die Integration einer möglichst homogenen (= einheitlichen) Nation und ihre Institutionalisierung im Nationalstaat. Die Bedeutungen von Begriffen wie Volk, Gesellschaft, Staat oder Nation nähern sich in dieser Weltanschauung häufig an und werden synonym verwendet. M3: Juneja/Wenzlhuemer: Die Neuzeit 1789–1914, 2013, S. 120. Das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Nation und ein Wir-Gefühl bildeten sich in den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen oft erst langsam heran. Nationalistische Bewegungen strebten danach, diesen Prozess anzustoßen oder zu beschleunigen. 19. Jh.: Neue Staaten entstehen Der Nationalismus führte dazu, dass Ethnien, das heißt Volksgruppen oder Völker, die noch über kein eigenes Territorium, keinen Nationalstaat verfügten, sich dessen bewusst wurden und diesen nun forderten. Diese nationalen Bewegungen bildeten die Grundlage für die Entstehung einiger neuer Staaten, allerdings immer unter der Kontrolle der Großmächte Europas (s. S. 110 ff.). Zionismus Der Nationalismus des 19. Jh. förderte auch die Idee des Zionismus. Seine zentrale Forderung war die Schaffung eines jüdischen Staates in Palästina. In ihm sollten alle verfolgten Jüdinnen und Juden frei leben können. Theodor Herzl schuf 1895 mit seinem Buch „Der Judenstaat“ die Grundlage dieser Bewegung. Theodor Herzl über die jüdische Volkssouveränität Man gebe uns die Souveränität eines für unsere gerechten Volksbedürfnisse genügenden Stückes der Erdoberfläche, alles andere werden wir selbst besorgen. Das Entstehen einer neuen Souveränität ist nichts Lächerliches oder Unmögliches. Wir haben es doch in unseren Tagen miterlebt, bei Völkern, die nicht wie wir, Mittelstandsvölker, sondern ärmere, ungebildete und darum schwache Völker sind. M4: Herzl: Der Judenstaat, 2016, S. 22. Liberalismus Die Idee des Liberalismus gründet wie der Nationalismus auf dem Gleichheitsprinzip. Die Vertreter/innen des Liberalismus forderten jedoch gleichermaßen die Mitgestaltung in Politik und Wirtschaft. Staatliche oder klerikale Kräfte sollten die Bürger/innen nicht bevormunden. Der Ursprung des Liberalismus liegt in der Aufklärung. Die Eigenständigkeit der Einzelnen und ihre Möglichkeit, vernünftig zu handeln, sind zentrale Gedanken. Somit umfasst die liberale Grundeinstellung den Glauben an freie, unabhängige, vernünftige und unterschiedliche Menschen als Mitglieder einer Gesellschaft. Nationalismus und Liberalismus im 19. Jh. Der Liberalismus im 19. Jh. schloss auch den Glauben an die Freiheit der Ethnien in eigenen Staaten mit ein. Somit stand er in enger Verbindung mit dem Nationalismus. Er stellte aber keine konkrete politische Richtung dar. Anhänger/innen des Liberalismus fanden sich vor allem in gebildeten Kreisen, die nicht alle Menschen gleichermaßen vertraten. Hans Rauscher: Was bedeutet heute liberal? Der Liberalismus ist ein Kind der Aufklärung, also schon einige Jahrhunderte alt. Aber seine Ideen haben sich breitflächig durchgesetzt. Die liberale Demokratie ist in Wirklichkeit das Fundament der modernen westlichen Gesellschaft. In ihr verkörpert sich die freie Teilnahme aller Bürger am ungehinderten, aber fair geregelten Wettbewerb um politische Vertretung. Freie und faire Wahlen, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Medienfreiheit sowie der Schutz fundamentaler Rechte sind ihre Prinzipien. M5: In: Der Standard, 7.6.2018, online auf: www.derstandard.at (14.8.2022). Jetzt bist du dran: 1. Skizziere auf Grundlage des Autorentextes und der Texte M1 und M3 die Entwicklung des Nationalismus und benenne fünf Kennzeichen. 2. Rufe mit der QuickMedia-App die Steirische Völkertafel M2 auf und vergleiche die dargestellten Stereotype. Überlege, woher sie stammen könnten und wo wir heute noch auf Klischees und Stereotype treffen. 3. Interpretiere Theodor Herzls Aussage (M4) in Bezug auf die notwendigen und die vorhandenen Voraussetzungen für eine jüdische Volkssouveränität. 4. Hans Rauscher beschreibt in M5 die liberale Demokratie. Recherchiere im Internet zum Begriff „illiberale Demokratie“, den der ungarische Premierminister Orbán 2014 geprägt hat, und charakterisiere ihn. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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