126 3.2 Beginn der Industrialisierung Industrialisierung beschreibt den Wandel von einer Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft. Technische Neuerungen ermöglichten den Einsatz von Maschinen statt aufwändiger Handarbeit, sodass Produkte in immer größerer Stückzahl produziert werden konnten. Diese Entwicklung wird aufgrund der massiven Veränderungen in kurzer Zeit auch als industrielle Revolution bezeichnet. Sie begann in der zweiten Hälfte des 18. Jh. in Großbritannien und erreichte einige Jahrzehnte später Kontinentaleuropa. Institutionelle Voraussetzungen Großbritanniens Schon vor dem eigentlichen Beginn der Industrialisierung fanden in England einige Entwicklungen statt, welche die industrielle Revolution begünstigten und Großbritannien zur ersten Industrienation machten. Während in den Monarchien am Kontinent willkürliche Enteignungen üblich waren, gab es in Großbritannien mit der zunehmenden Macht des House of Commons (der zweiten Kammer des britischen Parlaments) größere Rechtssicherheit gerade im Hinblick auf Eigentum. Dies förderte Investitionen, besonders im Bergbau. Hinzu kamen niedrige Zinsen von rund 5 %, keine innerstaatlichen Zölle und eine Verbesserung der Verkehrswege zu Wasser und zu Land, die sinkende Transportkosten zur Folge hatten. Zudem waren im 18. Jh. in Großbritannien die Löhne wesentlich höher als im übrigen Europa. Auf der einen Seite beklagten Unternehmer zwar die teuren Produktionskosten und die Schwierigkeit, Arbeiterinnen und Arbeiter zu M1: Unbekannt: Arbeiterin an einer „Spinning Jenny“. Kolorierter Druck, um 1880. Die ursprüngliche Version hatte acht Spindeln. finden. Auf der anderen Seite führten die hohen Löhne zu einer größeren Nachfrage nach hochwertigen Gütern des täglichen Bedarfs als etwa in Österreich, wo aufgrund der Armut des Großteils der Bevölkerung vor allem Luxusartikel oder für das Heer produziert wurde. Maschinen statt Handarbeit Das Zusammenspiel von hohen Löhnen und billigem Kapital ließ Investments in die Entwicklung und Anschaffung teurer Maschinen steigen. Das Wollgewerbe hatte in Großbritannien schon vor der industriellen Revolution einen besonderen Stellenwert. So ist es wenig überraschend, dass gerade hier 1764 ein Durchbruch gelang. James Hargreaves sorgte mit der nach seiner Tochter benannten Spinnmaschine „Spinning Jenny“ dafür, dass im selben Zeitraum etwa achtmal so viel Garn produziert werden konnte wie mit Handarbeit. Zwar wurde sie noch von Hand betrieben, doch mit ihr begann ein Prozess, in dem nach und nach Arbeitskräfte durch Maschinen ersetzt wurden. Die Dampfmaschine als „Zugpferd“ der Industrialisierung Die Dampfmaschine selbst hatte Thomas Newcomens bereits 1712 erfunden. Ihm war es erstmals gelungen, aus fossilen Brennstoffen Kraft zu erzeugen. Dieser Prototyp der Dampfmaschine ersetzte in Kohlebergwerken Pferde. Der große Energieverbrauch fiel dort aufgrund der einfachen Verfügbarkeit von Kohle nicht ins Gewicht. Abgesehen von diesem Sektor fand Newcomens Dampfmaschine allerdings keine allzu große Verbreitung. 1769 konnte James Watt den hohen Energiebedarf dieser Dampfmaschine massiv senken. Nun konnte sie auch außerhalb des Kohlebaus effizient betrieben werden. 1785 M2: Unbekannt: Mit Wasserkraft angetriebene Spinnmaschine „Waterframe“, 1769 von Richard Arkwright entwickelt. Holzstich, 1810 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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