Alles Geschichte! 6, Schulbuch

125 Kinderarbeit zur Zeit der Industrialisierung Mit der Industrialisierung änderten sich die Bedingungen der Kinderarbeit grundlegend: Schon mit wenigen Jahren mussten Kinder in den Fabriken und Bergwerken unter widrigsten Voraussetzungen arbeiten – oft weit mehr als zehn Stunden am Tag oder sogar in der Nacht. Der häufigste Grund, weshalb Eltern ihre Kinder arbeiten ließen, ist derselbe wie noch heute: Armut. Kinder wurden zwar wesentlich schlechter bezahlt als Erwachsene, trotzdem konnten manche Familien nur mit dem zusätzlichen Einkommen überleben. Kinderarbeit in englischen Bergwerken 1844 Die Beschäftigung der Kinder verdient kaum den Namen „Arbeit“ […]. Wir fragen hier allen Ernstes, ob nicht die Lage eines zu einsamer Absperrung verurtheilten Sträflings hiergegen beneidenswerth ist! M2: Ueber die Beschäftigung der Kinder in den englischen Fabriken und Bergwerken, in: Illustrirte Zeitung Leipzig, Berlin, Wien, Budapest, New York, Nr. 3, 1844, S. 218–219. Arbeit und Bildung Viele sahen im 19. Jh. auch Vorteile in der Kinderarbeit, und zwar für die Erziehung. Denn in der Fabrik würden wichtige Werte wie Pünktlichkeit, Fleiß und Folgsamkeit vermittelt. Gleichzeitig gab es zum Teil eigene Fabriksschulen, in denen in der Mittagspause und nach der Arbeit Unterricht stattfand. Insgesamt litt die Bildung der arbeitenden Kinder jedoch unter der zusätzlichen Belastung. Kinderschutzgesetz Zunächst unterlag Kinderarbeit keinerlei Gesetzen. So warnten zum Beispiel Fabriksbesitzer davor, dass ohne Kinderarbeit Waren teurer würden und man nicht mehr mit der Konkurrenz im Ausland mithalten könnte. 1834 trat in England das erste Kinderschutzgesetz in Kraft. Darin wurde festgehalten, dass Kinder frühestens mit neun Jahren in einer Fabrik arbeiten durften. Die tägliche Arbeitszeit für unter Zwölfjährige durfte höchstens neun Stunden betragen, für unter 18-Jährige zwölf Stunden. Viele andere europäische Länder folgten diesem Beispiel innerhalb der nächsten Jahrzehnte. Ein Ende der Kinderarbeit im 21. Jahrhundert? Heute arbeiten 70 % der Kinder in der Landwirtschaft. Häufig helfen sie ihrer Familie, haben also keinen Arbeitsvertrag und bekommen kein Geld. Am weitesten verbreitet ist Kinderarbeit in Afrika und Asien. Im Rahmen der Agenda 2030 wollten die UN-Nationen Kinderarbeit eigentlich bis zum Jahr 2025 abschaffen. Doch nachdem die Zahl der arbeitenden Kinder seit 2000 zunächst stetig zurückging, ist sie seit 2016 wieder im Steigen begriffen. Dieser negative Trend dürfte sich durch die Folgen der Corona-Pandemie noch verstärken. Doch auch bei einem weiteren Rückgang hätten Kinder noch bis etwa 2042 arbeiten müssen. Allerdings sehen darin nicht alle ein Problem und manche fordern ein größeres Selbstbestimmungsrecht für die Kinder. Kinderarbeit legalisieren Ob in Deutschland, Europa oder weltweit: Das Ziel, Kinderarbeit zu verbieten und abzuschaffen, scheint eine Selbstverständlichkeit zu sein. […] Kinder und Jugendliche in Afrika, Asien und Lateinamerika, die sich in eigenen Organisationen zusammenschließen, fordern sogar ausdrücklich ein „Recht zu arbeiten“. […] Arbeitende Kinder verweisen [darauf] […], dass für sie nicht „die Arbeit“ ein Problem darstellt, sondern die Bedingungen, unter denen sie ausgeübt wird. […] Wird dagegen Kindern das Recht zu arbeiten erst einmal eingeräumt, könnten sie sich besser vor Gefährdungen schützen oder Verbesserungen ihrer Situation erreichen, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme rechtlicher Mittel. M3: Liebel/Meade/Saadi: Brauchen Kinder ein Recht zu arbeiten?, 2012, S. 35–36 und 39. Gegenwärtige gesetzliche Lage in Österreich Ab 13 Jahren ist es Kindern in Österreich erlaubt, hin und wieder leichte Arbeiten im Familienbetrieb zu übernehmen. Genauso darf man einen Ferienjob, ein Praktikum oder eine Lehre absolvieren, vorausgesetzt, der Schulbesuch wird dadurch nicht beeinträchtigt. Mit 15 Jahren und nach vollendeter Schulpflicht gelten dann bereits recht ähnliche Bestimmungen wie für Erwachsene. Jetzt bist du dran: 1. Erkläre die Verbindung zwischen Bildung und Kinderarbeit, auf die die Jungen in M1 mit ihrem Transparent aufmerksam machen. 2. Erörtere unter Bezugnahme auf M3 Vor- und Nachteile der Legalisierung von Kinderarbeit. 3. Die österreichische Regierung möchte die Regeln für Kinderarbeit überarbeiten. Du wurdest ausgewählt, als Jugendliche/r deine Sicht auf dieses Thema einzubringen. Formuliere Vorschläge, die folgende Aspekte berücksichtigen: Alter, Dauer, Art der Arbeit, mögliche Sonderregeln für die Arbeit im Familienbetrieb. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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