115 2.9 Methoden trainieren: Schriftliche Quellen untersuchen und miteinander in Beziehung setzen Die Perspektive und Absicht schriftlicher Quellen untersuchen und die Quellen miteinander in Beziehung setzen Um die Bedeutung einer schriftlichen Quelle richtig zu beurteilen, muss man herausfinden, aus welcher Perspektive bzw. welchem Blickwinkel sie geschrieben wurde und welche Absicht die Verfasserin bzw. der Verfasser hatte. Außerdem ist es wichtig, zu erkennen, welche Perspektive man selbst bei der Arbeit mit der Quelle einnimmst. Der eigene Blickwinkel wird zwangsläufig durch Vorwissen, Weltsicht, Interessen, Lebensumfeld, gesellschaftliche Normen und andere Faktoren mit beeinflusst. Schriftliche Quellen untersuchen und miteinander in Beziehung setzen – so gehst du vor: − Lies die Texte genau und fasse jeweils die Aussagen bzw. Inhalte ohne persönliche Wertung und Kommentierung zusammen. Orientiere dich dafür und für die weiteren Schritte am Online-Zusatzmaterial „Schriftliche Quellen analysieren“. − Arbeite unter Berücksichtigung ihrer Gattung bzw. Art die Absicht der zwei schriftlichen Quellen heraus. Untersuche hierbei vor allem die Argumentation in Büchners Flugschrift. − Überlege, welche Informationen bezüglich der Bestrebungen Metternichs der Steckbrief belegt, welche gesellschaftlichen oder biografischen Faktoren ihn beeinflussten. − Ordne nun den Fall Büchner im Zuge deiner Analyse der beiden Quellen in den Vormärz, die Zeit vor den Revolutionen von 1848/49, ein. Der Fall Georg Büchner Der deutsche Schriftsteller Georg Büchner (1813–1837) gab 1834 mit dem „Hessischen Landboten“ eine revolutionäre Flugschrift heraus. In dieser forderte er die Landbevölkerung zur Revolution gegen den Adel auf. Damit geriet der Schriftsteller ins Visier der reaktionären, die Monarchien unterstützenden Kräfte und der Exekutive. Er floh vor seiner Verhaftung aus Hessen nach Straßburg. Georg Büchner in der Flugschrift „Der Hessische Landbote“ (1834) Dieses Blatt soll dem hessischen Lande die Wahrheit melden, aber wer die Wahrheit sagt, wird gehängt, ja sogar der, welcher die Wahrheit liest, wird […] vielleicht bestraft. […] Sie müssen das Blatt sorgfältig außerhalb ihres Hauses vor der Polizei verwahren. […] Friede den Hütten! Krieg den Palästen! […] Ihr bücktet euch lange Jahre in den Dornäckern der Knechtschaft, dann schwitzt ihr einen Sommer im Weinberge der Freiheit, und werdet frei sein bis ins tausendste Glied. Ihr wühltet ein langes Leben die Erde auf, dann wühlt ihr euren Tyrannen ein Grab. Ihr bautet die Zwingburgen [= stark befestigte, der Herrschaftssicherung dienende Burg], dann stürzt ihr sie, und bauet der Freiheit Haus. […] betet ihr selbst und lehrt eure Kinder beten: „Herr, zerbrich den Stecken unserer Treiber und laß dein Reich zu uns kommen, das Reich der Gerechtigkeit. Amen.“ M1: Büchner: Der Hessische Landbote, 2016, S. 5 und S. 35 (alte RS). Bekanntmachungen: Steckbrief Der hierunter signalisierte Georg Büchner, Student der Medizin aus Darmstadt, hat sich der gerichtlichen Untersuchung seiner indicirten Theilnahme an staatsverrätherischen Handlungen durch die Entfernung aus dem Vaterlande entzogen. Man ersucht deshalb die öffentlichen Behörden des In- und Auslandes, denselben im Betretungsfalle festnehmen und wohlverwahrt an die unterzeichnete Stelle abliefern zu lassen. Darmstadt, den 13. Juni 1835. Der von Großh. Hess. Hofgericht der Provinz Oberhessen bestellte Untersuchungs-Richter, Hofgerichtsrath Georgi. Personal-Beschreibung Alter: 21 Jahre, Größe: 6 Schuh, 9 Zoll neuen Hessischen Maases [Anm. das entsprach ca. 1,72 m], Haare: blond, Augenbraunen: blond, Augen: grau, Nase: stark, Mund: klein, Bart: blond, Kinn: rund, Angesicht: oval, Gesichtsfarbe: frisch, Statur: kräftig, schlank, M2: Großherzoglich Hessische Zeitung, 18. Juni 1835. Online auf: http://buechnerportal.de/ (2.6.2023). KOMPETENZTRAINING Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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