Alles Geschichte! 6, Schulbuch

113 Die bürgerliche Familienidylle wurde zum Ideal, aber auch Ausflüge aufs Land und Vergnügungen wie der Walzertanz wurden gepflegt. Kunst und Literatur spiegelten diese Ideale wider. M3: Leopold Kupelwieser: Gesellschaftsspiel (Pantomime). Aquarell, Gemälde, 1821. (Links vorne am Klavier der Komponist Franz Schubert). Abseits vom Heim waren Theater und Salons wichtige Orte des kulturellen Lebens. Der Historiker Karl Vocelka über die Lebenswelt des Biedermeier In diesen Salons machten sich Schriftsteller und andere Künstler in erster Linie einen Namen, und dort konnten sie ihre Kontakte knüpfen. Viele BürgerInnen dilettierten [ohne Ausbildung] in den verschiedenen Künsten […]. Malen, Zeichnen, Dichten und musizieren zählten zu den bevorzugten Beschäftigungen […]. M4: Vocelka: Geschichte Österreichs. Kultur – Gesellschaft – Politik, 2009, S. 183. Das bürgerliche Familienmodell Die bürgerliche Ehe und das bürgerliche Familienmodell wurden durch das 1812 in Kraft getretene Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (AGBG) geregelt. Der (Ehe-)Mann war „Haupt der Familie“ und Alleinverdiener. Frauen wurden rechtlich und finanziell entmündigt und aus der Öffentlichkeit verbannt. Ihnen wurde in diesem Modell die Haushaltsführung und Kinderbetreuung übertragen. Frauen der weniger begüterten Mittelschicht arbeiteten entweder im Gewerbe des Ehemannes mit oder übernahmen Heimarbeiten. Arbeiterinnen und Dienstbotinnen Der Großteil der städtischen Frauen war allerdings als Hausbedienstete oder Arbeiterinnen tätig, als Wäscherinnen, Näherinnen, Fabrikarbeiterinnen oder Tagelöhnerinnen. Da sie Vollzeit arbeiteten und zusätzlich die Familie versorgen mussten, waren sie im öffentlichen Raum unterwegs (z.B. auf den Märkten, an den Brunnen, beim Bäcker). Aber auch zu den Wirtshäusern hatten sie Zutritt. M5: Ferdinand Georg Waldmüller: Die Ernte (bei Zell am See). Gemälde, 1846/47. Der Lebensalltag wurde im Biedermeier wirklichkeitsnah, aber idealisiert dargestellt. Ehe als Privileg der Ober- und Mittelschicht Viele Paare waren aufgrund rechtlicher und finanzieller Hürden unverheiratet, was sich negativ auf die soziale Situation der Frauen und Kinder auswirken konnte. Unverheiratete Mütter, die von ihren Männern verlassen wurden, konnten ihre Kinder oft nicht ernähren. Aus diesem Grund wurden Gebär- und Findelhäuser eingerichtet. Die Einrichtung neben dem Wiener Allgemeinen Krankenhaus hatte sogar eine Drehlade, wo unehelich geborene Kinder „abgegeben“ werden konnten. Vormärz: Krisen ab 1830 Im Jahr 1830 beendete die Julirevolution in Frankreich die konstitutionelle Monarchie, nachdem der König die Verfassung zugunsten des Adels ändern wollte. Die revolutionären Entwicklungen griffen auch auf andere Länder über. Z.B. wurde ein Aufstand in Italien, der auf nationale Selbstbestimmung abzielte, von Österreich niedergeschlagen. Auch im Deutschen Bund formierten sich Proteste. Zu den politischen Krisen kamen wirtschaftliche: Missernten führten zu Hungerrevolten und mit der Industrialisierung verschärften sich die sozialen Spannungen, Armut und Not. Exemplarisch dafür steht der Weberaufstand in Schlesien 1844: Durch die Entwicklung des mechanischen Webstuhls, billige Arbeitskräfte und günstige Importe fielen die Preise. Die Menschen, die in den Manufakturen Handarbeit betrieben, wurden dadurch ihrer Existenzgrundlage beraubt. Die preußische Regierung schlug den Aufstand blutig nieder. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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