2000 93 Geschichtliche Deutung des Begriffes Der Begriff „Völkerwanderung“ stammt aus dem 16. Jh. und taucht im wissenschaftlichen Kontext erstmals im Werk „de gentium aliquot migrationibus“ (1557, „Über die Wanderung einiger Völker“) des Gelehrten Wolfgang Lazius auf. Bis heute ist der Begriff im deutschsprachigen Raum weit verbreitet. Er ist unter anderem mit bestimmten Vorstellungen verbunden, die im Nationalismus des 19. Jh. wurzeln. Der Historiker Mischa Meier über den Begriff der „Völkerwanderung“ (2016) Die Vorstellung endloser Wagentrecks aus hünenhaften Kämpfern und ihren Familien, die sich aus dem Innern Germaniens oder von noch entlegeneren Orten aus in Richtung des Römischen Reiches aufmachten und nach einer langen Phase des Ringens und Kämpfens auf dessen Boden ihre eigenen Reiche errichteten, hat sich tief ins kulturelle Gedächtnis eingebrannt. […] Zum Epochenbegriff im engeren Sinne gerinnt „Völkerwanderung“ erst im 19. Jahrhundert; […] Im Zuge der Nationsbildungsprozesse in Europa suchte man auch in Deutschland nach vermeintlichen historischen Anknüpfungspunkten für eine kollektive Geschichte; fündig wurde man in der Vorstellung einer Überwindung des Imperium Romanum durch germanische Stämme, worin man eine erste identitätsstiftende Großtat der frühen Deutschen sah. M8 Meier: Die „Völkerwanderung“, 2016. Online auf: www.bpb.de (4.10.2021). Es waren inhomogene Gruppen, die sich in Bewegung setzten, teils niederließen und sich zum Teil anderen Gruppen anschlossen. Die Gruppen bildeten sich immer wieder aufs Neue, wobei die jeweilige Herrschaftsschicht, nach der die Gruppen benannt wurden, nicht unbedingt der Mehrheit der jeweiligen Mitglieder entsprach. Noch weniger war dies bei den später gegründeten Reichen auf dem Boden des Imperium Romanum der Fall. M7 Germanen auf der Wanderung. Holzstich nach Zeichnung von Otto Knille (1832–1898), spätere Kolorierung Jetzt bist du dran: 1. Erläutere, wie Ammianus die Aufnahme der Goten ins Römische Reich beurteilt. Arbeite jene Stellen heraus, die seine Wertung deutlich machen (M2). 2. Benenne wesentliche Eigenschaften, die Ammianus den Hunnen zuschreibt (M5). 3. Skizziere die Bilder der Hunnen, die Wilhelm II. und Ammianus entwerfen (M4, M5). Arbeite heraus, wie sie die Hunnen beurteilen. Finde mögliche Gründe. Recherchiere hierzu ausgehend von Autorentext und M4 auch im Internet. 4. Stelle anhand des Textes und der Historikeraussagen (M6, M8) die Problematik des Begriffes „Völkerwanderung“ dar. 5. Beurteile, welche Kritikpunkte dir zulässig erscheinen. 6. Vergleiche die Aussagen von Mischa Meier (M8) mit der Darstellung in M7. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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