Alles Geschichte! 5, Schulbuch

2000 91 Sein Nachfolger, Kaiser Theodosius, gestattete den Goten, südlicher der Donau zu siedeln. Ein dauerhafter Frieden konnte aber nicht erreicht werden. Die Goten unternahmen weiter Raubzüge in Griechenland und plünderten 410 Rom. Ammianus Marcellinus, Geschichtsschreiber und Offizier (ca. 330–400), über die Aufnahme der Goten Die Angelegenheit weckte indessen anfänglich mehr Freude als Angst, da die erfahrenen Schmeichler des Kaisers Glück in höchsten Tönen priesen, das ihm aus den fernsten Gegenden so viele Jungmannschaften zuführe und ihm wider Erwarten die Möglichkeit anbiete, die eignen und fremdstämmigen Streitkräfte zu vereinigen und dadurch ein unbesiegliches Heer zu gewinnen. […] In dieser Hoffnung schickte man verschiedene Beamte mit dem Auftrag ab, die wilde Menschenmenge samt ihren Fahrzeugen über den Fluß herüberzuholen, und alle Sorgfalt wurde darauf verwendet, daß kein einziger von den künftigen Reichszerstörern, und sei er selbst von tödlicher Krankheit ergriffen, zurückgelassen wurde. Die Goten bekamen auf diese Weise mit Erlaubnis des Kaisers die Möglichkeit, die Donau zu überqueren und Teile Thrakiens zu bewohnen, und Tag und Nacht kamen sie nun truppweise auf Schiffen, auf Flößen und auch auf Einbäumen herüber. […] So holte man, in stürmischem Eifer […], das Verderben selbst in die römische Welt herein. Auf jeden Fall besteht darüber volle Klarheit und Sicherheit, daß die unseligen Beamten, welche die Barbarenmenge über den Fluß zu setzen hatten, zwar wiederholt den Versuch machten, ihre Zahl rechnerisch festzustellen, schließlich aber ihr fruchtloses Bemühen aufgaben. M2 Ammianus: Das Römische Weltreich vor dem Untergang, Buch 31 (4–6), 1974, S. 718–719. M3 Ulpiano Checa: „Die Invasion der Barbaren“. Gemälde, 1887. Die Darstellung zeigt den Kontrast zwischen Zivilisation und Wildheit, hier als fremde Bedrohung charakterisiert. Rezeption der „Völkerwanderung“ am Beispiel der Hunnen Über die Herkunft der Hunnen gibt es mehrere Theorien. Fest steht, dass sie als Zusammenschluss mehrerer asiatischer Reitervölker nach Europa einwanderten und sowohl als Gegner des Römischen Reiches als auch als dessen Verbündete gegen die dort angesiedelten germanischen Stämme auftraten. 451 wurden sie unter ihrem Anführer Attila in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern (Nordfrankreich) geschlagen. Nach Attilas Tod löste sich die hunnische Herrschaft allmählich auf. Zuvor unterworfene Völker lehnten sich auf und besiegten die Nachfolger Attilas 454 in der Schlacht am Fluss Nedao in Pannonien. Die überlebenden Hunnen wurden im Römischen Reich angesiedelt oder in die siegreichen germanischen Gruppen integriert. Ein literarisches Bild Attilas überdauerte jedoch die Jahrhunderte: Als mächtiger König Etzel lebt er im Nibelungenlied (um 1200) weiter, welches den Untergang der Burgunder, eines anderen germanischen Stammes aus der Zeit der „Völkerwanderung“, erzählt. Etzel, der in dem Epos positiv dargestellt wird, überlebt den verheerenden finalen Kampf. Erwähnungen der Hunnen aus der Neuzeit betonen im Gegensatz dazu oft deren Rolle als „Schreckensbringer“. So drohte Napoleon während seines Italienzuges der Republik Venedig 1796, dass er „sein würde wie Attila“. Auch der deutsche Kaiser Wilhelm II. beschwor in seiner „Hunnenrede“ anlässlich des chinesischen Boxeraufstandes gegen die Kolonialherrschaft die Erbarmungslosigkeit Attilas und der Hunnen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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