Alles Geschichte! 5, Schulbuch

80 QUERSCHNITT Das Reich der Maya M1 Pyramiden von Tikal in Guatemala, 2020 Fast 3000 Jahre lang beherrschten die Maya die Halbinsel Yucatán im heutigen Mexiko und Guatemala. Vom 3. bis zum 8. Jh. entwickelten sich dort mächtige Städte mit Zehntausenden Menschen. Kunst, Architektur, Mathematik und Astronomie blühten auf. Um das Jahr 900 jedoch verließen die Maya die meisten Metropolen, vor allem im Süden des Reiches. Die prächtigen Bauten verfielen, Bewässerungssysteme wurden nicht mehr instand gehalten und die Bevölkerungszahl sank. Die Ursache für diesen Niedergang ist umstritten. Krankheiten, Kriege, Übernutzung der landwirtschaftlichen Flächen und Aufstände sowie Klimaveränderungen werden als mögliche Gründe angesehen. Interview mit dem Maya-Experten Dr. Georg Grünberg, Universität Wien Dr. Georg Grünberg, geboren in Wien 1943, ist Ethnologe und hat in Wien und São Paulo studiert; indigene Völker in Lateinamerika stehen im Mittelpunkt seines Interesses. Derzeit arbeitet er als Lektor an der Universität Wien und als Konsulent für internationale Kooperation im Bereich Umwelt und Gesellschaft in Lateinamerika. Die Maya gelten als die bedeutendste Zivilisation des amerikanischen Kontinents. Was gilt es über sie zu wissen? Zunächst ist es wichtig festzuhalten, dass man nicht von einer Kultur sprechen kann, die es heute nicht mehr gibt. Mehr als 6 Millionen Maya leben in Zentralamerika, vor allem in Mexiko und Guatemala. Ihre Sprachen und viele ihrer Traditionen und Bräuche sind lebendig geblieben. Unser Bild von den Maya ist vom Klischee einer im Dschungel untergegangenen Kultur geprägt, die wir, wie in einem Indiana-Jones-Film, quasi wiederentdecken. In Wahrheit gibt es hier über mehrere Jahrtausende eine Kontinuität an Weltbild und Lebensvorstellungen. Nur die Han-Chinesen haben ein Weiterbestehen von Besiedlung und Kultur über einen so langen Zeitraum vorzuweisen. In Europa gibt es nichts Vergleichbares. Warum spricht man dann eigentlich vom Untergang der Kultur? Tatsächlich kann man vom Untergang einer Hochkultur sprechen. Die Maya lebten in vielen Stadtstaaten, die zwar miteinander in Verbindung standen, aber es gab nie ein gemeinsames Reich. Diese Stadtstaaten erlebten in den Jahren zwischen 750 und 900 n. Chr. einen großen Bevölkerungsrückgang und die meisten Städte wurden verlassen. Was machte die Maya zu einer Hochkultur? In den ersten Jahrhunderten der Existenz der Maya lebten sie in kleinen Siedlungen als Bauern, ohne eine starke soziale Gliederung. Etwa um 300 v. Chr. kommt es zu einem großen zivilisatorischen Sprung: Die Siedlungen wachsen zu Städten und die Gesellschaft wird immer differenzierter. Man geht davon aus, dass ihre hochproduktive Landwirtschaft diesen Aufschwung möglich machte. Apropos Mais. Haben wir den tatsächlich den Maya zu verdanken? Ja, das stimmt. Es war eine gewaltige Leistung, diesen heranzuzüchten. Durch den systematischen Anbau konnten die vielen Menschen in den Zentren ernährt werden. Der Mais war das wichtigste Lebensmittel. Er wurde über Generationen aus einem Wildgras namens Teosinte gezüchtet und kultiviert. Dieses Gras bot nur wenige schwer verdauliche Körner als Ertrag. Der Mais hingegen ist die Pflanze mit dem höchsten Ertrag in kürzester Zeit. Zudem gab es bei den Maya noch keine Monokulturen. Sie bauten auf ihren Plantagen außerhalb der Zentren Obst und Gemüse an, den Mais meist in Kombination mit Bohnen und Kürbis. Der Mais diente den Bohnen als Rankhilfe, die Bohnen lieferten Stickstoff und die großen Kürbisblätter schützen den Boden vor dem Austrocknen. Eine nachhaltige Form der Landwirtschaft, vor über 2000 Jahren. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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