2000 61 3.11 Das römische Recht und seine Bedeutung Im Römischen Reich existierte bereits ein voll ausgebildetes Rechtssystem, das außerdem ständig weiterentwickelt wurde. Besonders das Privatrecht wurde von eigenen Fachleuten, den Juristen, herausgebildet. Es gab bereits Richter, Gerichte, Verteidiger und natürlich Strafen. Fast alle heutigen europäischen und auch manche außereuropäischen Rechtstraditionen bauen in wichtigen Bereichen auf römischen Rechtsgrundsätzen auf. Bis zur Entstehung der römischen Republik, das heißt bis etwa 450 v. Chr., handelte es sich beim römischen Recht vor allem um Gewohnheitsrecht (von Vorfahren überlieferte Bräuche und Sitten). Die erste schriftliche Gesetzgebung: Das Zwölftafelgesetz Um 450 v. Chr. wurde eine schriftliche Aufzeichnung des Gewohnheitsrechts in Auftrag gegeben. Beeinflusst von griechischer Philosophie und Rechtstradition, entstand das Zwölftafelgesetz. Es heißt so, weil die Gesetze auf zwölf Holz- oder Bronzetafeln niedergeschrieben wurden, welche nicht erhalten sind. Die Erstellung und Veröffentlichung dieser Tafeln war eine wesentliche Forderung der Plebejer im Rahmen ihrer Auseinandersetzungen mit den Patriziern gewesen (s. S. 55). Die Tafeln wurden am Forum Romanum, dem gesellschaftlichen Zentrum der Stadt Rom, aufgestellt, damit sie jeder lesen konnte. Für die Plebejer war das ein wichtiger Schritt im Kampf um die rechtliche Gleichberechtigung mit den Patriziern, um der Willkür bei Bestrafungen zu entkommen. Erste Gerichtsverhandlungen Bereits in den frühen Jahren der römischen Republik (5. Jh. v. Chr.) gab es eigene Prozessordnungen und mit der Zeit entwickelte sich auch der Berufsstand der Juristen. In der römischen Republik waren verschiedene Beamte, über die zuvor in der Volksversammlung abgestimmt worden war, für die Rechtsprechung zuständig. Die Gesetzgebung lag in der Kaiserzeit beim Herrscher. Er war gleichzeitig auch oberster Richter. Römische Rechtsgrundsätze Rechtsgrundsätze wurden und werden häufig durch lateinische Begriffe oder Wendungen ausgedrückt. Einige davon sind tatsächlich aus der Antike überliefert, andere sind Neuprägungen. Im Strafrecht gilt beispielsweise: • in dubio pro reo iudicandum est Im Zweifel ist zugunsten des Angeklagten zu entscheiden. • ne bis in idem crimen judicetur Es darf nicht zweimal wegen desselben Verbrechens geurteilt werden. • nulla poena sine lege Keine Strafe ohne Gesetz. Bedeutung des römischen Rechts bis heute Die von Kaiser Justinian geschaffene Gesetzessammlung (Corpus Iuris Civilis, 533n. Chr.) geriet zwar einige Jahrhunderte in Vergessenheit, wurde aber ab dem 12. Jh. in großen Teilen Europas wieder als Rechtsgrundlage verwendet. Der unter Napoleon I. entstandene französische Code Civil (1804) und das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811), das ABGB, stehen in der Tradition des römischen Rechts und sind mit Abänderungen nach wie vor gültig. So ist das ABGB entsprechend der Einteilung des römischen Rechts in Personenrecht (personae), Sachenrecht (res) und gemeinschaftliche Bestimmungen des Personen- und Sachenrechts (actiones) aufgebaut. Einige Grundsätze des römischen Rechts verbreiteten sich weltweit. Jetzt bist du dran: 1. Gib die lateinischen Rechtsgrundsätze mit eigenen Worten wieder und versuche, sie auf konkrete Situationen anzuwenden. 2. Der römische Rechtgelehrte Ulpian schreibt: „Wer sich anschickt, sich mit dem Recht zu beschäftigen, muss zunächst erfahren, woher das Wort ‚Recht‘ kommt. Es ist nämlich nach der Gerechtigkeit benannt.“ (Ulpian, Institutionen, Buch 1, Titel: Über Gerechtigkeit und Recht) Beurteile, ob Rechtsvorschriften immer auch gerecht sind. Denke dabei z. B. an Jugendschutzvorschriften. Begründe deine Meinung. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=