Alles Geschichte! 5, Schulbuch

177 Lebendige Geschichte M1 Begehbare Ausgrabungsstätte der mittelalterlichen Synagoge am Wiener Judenplatz, 2021 Die Vergangenheit erfahren Seit fast 1000 Jahren leben Jüdinnen und Juden auf dem Gebiet des heutigen Österreichs. Derzeit sind es in etwa 15 000 Personen. Die größte jüdische Gemeinde befindet sich heute in Wien. In Wien leben seit dem Hochmittelalter Jüdinnen und Juden. Das jüdische Viertel lag im Stadtzentrum, im Bereich des heutigen Judenplatzes im 1. Bezirk. Anfang des 13. Jh. wurde dort die erste Synagoge errichtet; die jüdische Gemeinde nützte sie für Gottesdienste, aber auch als Versammlungsort sowie für Unterricht und Lehre. Während des Mittelalters entwickelte Wien sich zu einem Zentrum jüdischen Wissens, in dem bedeutende Rabbiner (jüdische Gelehrte) tätig waren. 1420 kam es auf Befehl von Herzog Albrecht V. in Österreich zur Gefangennahme, Zwangstaufe, Verfolgung und Vertreibung von Jüdinnen und Juden. Im Frühling 1421 wurden die damals noch in Wien ansässigen Menschen jüdischen Glaubens, über 200 Personen, verbrannt. Ihre Geschichte wurde lange Zeit verdrängt und vergessen. Erst in den 1990er Jahren nahmen die Wienerinnen und Wiener die Bedeutung des Judenplatzes wieder wahr. Die Ausgrabungen der Fundamente der 1420/21 zerstörten Synagoge lenkte den Blick auch auf diese in Wien bis dahin nur wenig beachtete, „Wiener Gesera“ genannte Verfolgung. Die Vergangenheit erleben Das religiöse Zentrum der mittelalterlichen Jüdinnen und Juden in Wien war die Synagoge, auch Tempel genannt. Einige Überreste des Gebäudes können im Wiener Museum für Jüdische Geschichte am Judenplatz besichtigt werden. Die Grundmauern wurden umfänglich restauriert und befestigt. Neben den Außenmauern des Gebäudes sind auch Reste der Bima zu sehen. Die Bima ist das Pult, auf dem das Heilige Buch, die Tora, liegt, wenn aus ihr gelesen wird. Rund um die Ausgrabungen wird in einer Ausstellung des Jüdischen Museums auch das gesamte ehemalige jüdische Viertel in den Blick genommen. Insbesondere die vielen Alltagsgegenstände, die gezeigt werden, wie z. B. Schlüssel, machen das Judentum im Mittelalter in Wien lebendig. Wissenswertes Schon im Jahre 1204 befand sich in der heutigen Seitenstettengasse in Wien eine sogenannte „schola ludeorum“. Damit wurde die Synagoge bezeichnet, die der erste urkundlich erwähnte Jude in Wien, Schlom, hatte erbauen lassen. Wie die lateinische Bezeichnung sagt, ist eine Synagoge nicht nur ein Gotteshaus, sondern auch ein Bildungshaus, eine Schule. Eine Synagoge beherbergt auch immer eine Bibliothek. Jüdische Kinder, Jungen wie Mädchen, lernten bereits im Mittelalter lesen und schreiben. Jüdinnen und Juden waren damit weitaus gebildeter als die christliche Mehrheitsgesellschaft. Interessanterweise meint das Wort „Schul“ im Jiddischen ebenfalls Synagoge oder Gotteshaus. Jiddisch ist eine beinahe 1000 Jahre alte Sprache, die von osteuropäischen Jüdinnen und Juden gesprochen wurde und zum Teil immer noch wird. Sie ist eng verwandt mit dem Deutschen. „Schlamassel“ kommt zum Beispiel vom Jiddischen „Schlimasel“ (Unglück). Jetzt bist du dran: 1. Außer der Bezeichnung „Judenplatz“ gibt es bis heute Straßennamen in Wien, die unmittelbar mit der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde verbunden sind. Recherchiere, welche. Markiere sie in einem Stadtplan. (Linktipp 1) 2. Schaue einen Teil des Videos zu dieser Ausstellung an (Minute 03:12–05:30). (Linktipp 2) 3. Finde heraus, in welchem Zeitraum Jüdinnen und Juden im mittelalterlichen Wien lebten und wie viele Personen im jüdischen Viertel angesiedelt waren. 4. Recherchiert zu dritt Informationen über die jüdische Zwi Perez Chajes Schule in Wien. Bereitet eine drei- bis fünfminütige Präsentation vor. Präsentiert eure Ergebnisse. (Linktipp 3) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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