Alles Geschichte! 5, Schulbuch

176 LÄNGSSCHNITT M7 Kalk-Sandstein-Relief der sogenannten „Judensau“, ursprünglich befestigt am Haus Hauptplatz 16 in Wiener Neustadt, vermutlich 15. Jh. Als 1348 die Pest nach Mitteleuropa vordrang, war die Ursache der Seuche, ein durch Rattenflöhe übertragenes Bakterium, noch nicht bekannt. Die Juden wurden beschuldigt, Brunnen zu vergiften und dadurch die Pest auszulösen. Auch diese Lüge führte zu gewaltsamen Pogromen (s. S. 139). Kaiser, Papst und Reichsstände versuchten, die jüdische Bevölkerung zu schützen, doch das gelang oft nicht. Zu viele Menschen hatten ein Interesse daran, Jüdinnen und Juden zu ermorden, um sich an ihrem Besitz zu bereichern. Neben den religiös gefärbten Verleumdungen verbreiteten christliche Autoritäten auch das Stereotyp der geldgierigen Juden, die sich durch Wucher auf Kosten der Christen bereichern würden. Auch damit wurden Missgunst und Hass ausgelöst. Verfolgung, Ausweisung und Vertreibung im spätenMittelalter Die religiöse, gesellschaftliche und ökonomische Stigmatisierung jüdischer Menschen führten im Europa des späten 13. und 14. Jh. zu massiven Verfolgungswellen. Ihnen fielen die meisten jüdischen Gemeinden des Mittelalters zum Opfer. 1290 wurden die Jüdinnen und Juden aus England vertrieben, im Verlauf des 14. Jh. auch aus Frankreich. Auch aus vielen deutschen Städten und Regionen wurden sie ausgewiesen. Viele dieser ab dem 10. Jh. als Aschkenasim bezeichneten Jüdinnen und Juden emigrierten nach Osteuropa. Ende des kaiserlichen Schutzes imHRR Im Heiligen Römischen Reich anerkannten bis ins 13. Jh. die Kaiser bzw. Könige eine Schutzpflicht gegenüber der jüdischen Bevölkerung. Danach ging dieses Schutzrecht an kleinere Landesfürsten und Herrscher. Hierbei wurde der Schutzgedanke zunehmend von finanziellen Interessen geprägt. In Rothenburg ob der Tauber z. B. galten im 14. Jh. für Juden achtmal höhere Steuersätze als für Christen. Außerdem wurden ihnen Abgaben für Wehranlagen und Stadtverwaltung abgepresst. Vertreibung aus Spanien 1492 ordneten die katholischen Könige Spaniens, Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragón, im Alhambra-Edikt die Vertreibung aller Jüdinnen und Juden aus ihrem Machtbereich an, sofern sie nicht zum Christentum übertraten. Zwischen 130 000 und 300 000 Jüdinnen und Juden (Sephardim) sollen die Iberische Halbinsel verlassen haben (s. S. 152). Situation in Österreich Ab Beginn des 13. Jh. nahm die Anzahl der jüdischen Gemeinden im Gebiet des heutigen Österreichs stetig zu. Da Jüdinnen und Juden keine Handwerksberufe ausüben durften, waren sie oft in der Finanzverwaltung tätig oder führten Geldgeschäfte mit dem Adel durch. Bis zu einem Viertel der Kredite wurden im Mittelalter von Jüdinnen vergeben. Wie in anderen Teilen des Reiches erlebten Jüdinnen und Juden immer wieder Ausgrenzungen, Diskriminierungen und Gewalt. Die Landesfürsten erließen daher auch hier Schutzordnungen, für die als Gegenleistung Abgaben zu bezahlen waren. Im Lauf des 15. Jh. wurde die jüdische Bevölkerung aus fast allen Gebieten des heutigen Österreichs vertrieben. Jetzt bist du dran: 1. Arbeite die Unterdrückung der Juden durch kirchliches und weltliches Recht im Mittelalter heraus. Beziehe auch M2, M5 und M7 ein. 2. Nimm Stellung zur Praxis des „Schutzes gegen Bezahlung“. 3a. Recherchiere Hintergrundinformationen zur Schmäh-­ Darstellung der Wiener Neustädter „Judensau“ (M7). 3b. Nimm Stellung dazu, was bei einer Präsentation einer solchen Darstellung beachtet werden muss, um von der Schmähung Betroffenen eindeutig Respekt zu erweisen. 4. Recherchiere im Internet zu den beiden Gruppen Aschkenasim und Sephardim. Fasse die Ergebnisse in zwei Lexikonartikeln zusammen. 5. Arbeitet zu dritt. Listet auf, in welchen Kapiteln von „Alles Geschichte! 5“ es Informationen über ein gelungenes Zusammenleben von jüdischer und nicht jüdischer Bevölkerung gibt. Notiert eure Ergebnisse in Stichworten und vergleicht sie. 6. Diskutiert in der Klasse, welche Voraussetzungen notwendig sind, damit Minderheiten gleichberechtigt mit der Mehrheitsgesellschaft in einem Gemeinwesen leben können. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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