173 Frühe jüdische Geschichte Etwa 1200 v. Chr. bezeichnete eine nichtbiblische ägyptische Quelle das Volk Israel, das auch Hebräer genannt wurde, zum ersten Mal in dieser Form. Laut Überlieferung der Heiligen Schriften des Judentums bestand das Volk der Israeliten aus zwölf Stämmen, die als Großfamilien oder Sippenverbände organisiert waren. Sie siedelten in den Bergen von Judäa und Galiläa. Judäa liegt im heutigen Israel und dem südlichen Westjordanland. Bedeutsame Dörfer wie Bethlehem oder die Stadt Jerusalem befinden sich hier. Galiläa ist im heutigen Nordisrael gelegen, in der Nähe des See Genezareth. Glaube an einen einzigen Gott Die Israeliten unterschieden sich von ihren Nachbarvölkern vor allem durch ihren Monotheismus, d. h. durch ihren Glauben an einen einzigen Gott, der ihrer Überzeugung nach einen Bund mit ihnen geschlossen hatte. Seine Lehre war die Grundlage für den Glauben der Israeliten und die Lebensordnung der Gläubigen. Sie war in der Tora, einer Schriftensammlung und Teil der hebräischen Bibel, aufgezeichnet. Am Sinai: Das Bundesangebot Gottes Mose stieg zu Gott hinauf. Da rief ihm der Herr vom Berg her zu: […] Jetzt aber, wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein. Mir gehört die ganze Erde, ihr aber sollt mir als ein Reich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören. Das sind die Worte, die du den Israeliten mitteilen sollst. Mose ging und rief die Ältesten des Volkes zusammen. Er legte ihnen alles vor, was der Herr ihm aufgetragen hatte. Das ganze Volk antwortete einstimmig und erklärte: Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun. M3 Die Bibel in der Einheitsübersetzung (von 1980), 2. Buch Moses, Vers 19, Zeile 3–8. Zusammenschluss zu einemKönigreich und Reichsteilung Um 1000 v. Chr. vereinigten sich die Stämme zu einem Königreich. König David eroberte Jerusalem. In den folgenden Jahrhunderten zerfiel das Reich in das Nordreich Israel und das Südreich Judäa. Ab dem 4. Jh. v. Chr. siedelten Jüdinnen und Juden auch außerhalb von Judäa. Alexandria in Ägypten wurde eine Hochburg jüdischer Wissenschaft und Kultur. Nach Vertreibung und Krieg kehrten die Jüdinnen und Juden um 500 v. Chr. nach Jerusalem zurück und erbauten zu Ehren ihres Gottes den sogenannten Zweiten Tempel. Römische Herrschaft Nach kriegerischen Auseinandersetzungen in der Region kam das Gebiet 63 v. Chr. unter römischen Einfluss. Zunächst akzeptierten die Römer den jüdischen Glauben an einen einzigen Gott und das Gebiet profitierte vom „Pax Romana“, dem Römischen Frieden. Die Forderung der römischen Imperatoren nach Anbetung und die Entstehung einer national-religiösen Unabhängigkeitsbewegung führten jedoch zu einem Aufstand der Juden, der 70 n. Chr. blutig niedergeschlagen wurde. Die Römer zerstörten den Tempel, plünderten die Tempelschätze und versklavten jüdische Kriegsgefangene. Die letzten baulichen Überreste des Tempels, die ehemalige Westmauer, wird im Deutschen heute als Klagemauer bezeichnet. Ein weiterer erfolgloser jüdische Aufstand 135 n. Chr. leitete die Diaspora ein, die Zerstreuung des jüdischen Volkes. Das Christentum– eine neue Religion Mit dem Ablösungsprozess der frühen Christinnen und Christen vom Judentum entbrannte eine erbitterte Auseinandersetzung um den wahren Glauben. Erst um etwa 150 n. Chr. kam die Auseinanderentwicklung von christlichem und jüdischem Glauben zum Abschluss. Das Neue Testament wurde Teil der christlichen Bibel. Auch die Tora wurde in das christliche „Buch der Bücher“ eingebunden: Große Teile der Tora bilden das sogenannte Alte Testament. Ablehnung des Judentums und Judenfeindschaft Die überlieferten Quellen erlauben keine endgültigen Aussagen über die Haltung gegenüber jüdischen Menschen und Judentum während der vorchristlichen Antike. Der römisch-jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus berichtet für das 1. Jh. n. Chr. von antijüdischen Stereotypen. Es gibt jedoch auch positive Beschreibungen antiker Autoren. Das Christentum verstand sich selbst als „wahres Israel“, im Bund mit Gott hatte es nun, so die christliche Sichtweise, das Judentum abgelöst. Den Juden wurde vorgeworfen, Jesus nicht als Messias anerkannt zu haben und eine falsche Lehre zu vertreten. In den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten entwickelte sich ein negatives Judenbild, das mit antijüdischen Klischees, Mythen und Lügen ausgeschmückt wurde. Dieses Bild prägte die Geisteshaltung vieler Menschen und drang tief in die europäischen Gesellschaften ein. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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