Alles Geschichte! 5, Schulbuch

2000 129 3.4 Handwerk und Zünfte Handwerk als Rückgrat derWirtschaft Die mittelalterlichen Handwerker auf dem Land verrichteten Arbeiten, die eine Nähe zur Landwirtschaft aufwiesen. Dazu gehörten Hufschmiede, Müller und Flößer. Auch in kleinen Städten und Dörfern, welche von der Landwirtschaft lebten, gab es handwerkliche Berufe. Zum Beispiel war die Aufgabe der Bäcker und Fleischhauer die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. In den Städten, die eine größere Zahl von Handwerkern aufwiesen, kam es zu einer Spezialisierung der Berufe. So ließen sich der Gruppe der metallverarbeitenden Berufe Schmiede, Schlosser und Werkzeugmacher zurechnen. Durch die zunehmende Spezialisierung, welche mit dem Wachsen der Stadt einherging, stieg die Qualität der Waren. Handarbeit und Kleinbetriebe Das Handwerk wurde vorwiegend in kleineren Familienbetrieben ausgeübt. Die Ausbildung dauerte mehrere Jahre. Nach den Lehrjahren waren die Gesellen oft im Haus des Meisters untergebracht und bezogen einen fixen Lohn. Für sie galten die Regeln des Meisters, die sie häufig persönlich einschränkten. Das konnte z. B. das Ausgehen oder auch das Heiraten betreffen. Als sich an der Wende zur Neuzeit um 1500 das Wirtschaftssystem veränderte, verloren die Kleinbetriebe an Bedeutung und gingen zugunsten von Manufakturen und größeren Betrieben zurück, die nicht mehr familiär organisiert waren. Handwerker organisieren sich in Zünften Bereits im 12. Jh. – selten auch davor – finden sich Belege für teils religiöse Bruderschaften und Vereinigungen von verschiedenen Handwerkszweigen. Mit demWachsen der Städte im Spätmittelalter entwickelten sich daraus die Zünfte der Handwerker. Diese waren genossenschaftlich organisiert und ihre Aufgabe war die Absicherung des Auskommens ihrer Mitglieder. Die Zahl der Mitglieder war beschränkt. Die Mitgliedschaft war Meistern vorbehalten und konnte durch Kauf oder Erbe erworben werden. Es war nicht gestattet, ein Handwerk oder Gewerbe auszuüben, ohne Mitglied der jeweiligen Zunft zu sein. Zünfte konnten Preise und Löhne regeln und durch Beschränkungen den Konkurrenzdruck mildern, um den Mitgliedern ein Auskommen zu sichern. Auch Bestimmungen zu Produktion, Menge und Qualität der Waren fielen in ihre Zuständigkeit. Vielfach behinderten die Regelungen der Zünfte aber auch den technischen Fortschritt. „Von dem Rad, mit dem man Seide spinnt“ Es sei bekannt gemacht, dass an unsere Ratsherren herangetragen wurde, dass Walther Kiesinger ein Rad verfertigen lassen wollte, auf dem man Seide spinnen und zwirnen kann. Also haben unsere Ratsherren mit ihren Vertrauten […] überlegt und sich gesorgt, dass – wenn dies geschähe – dann viele Menschen in ihrer Stadt, die innerhalb der [Seidenspinner-] Zunft ihr Auskommen finden, ins Chaos gestürzt und zu Grunde gerichtet würden. Und darum sind sie übereingekommen, dass man weder dieses Rad noch irgendwelche anderen Räder jetzt oder in Zukunft jemals einsetzen soll. M1 Plessow: Die Stadt im Mittelalter, 2003, S. 167 (alte RS). Neben den Regelungen zum Handwerk gab es in den Zünften auch Regelungen zum Totengedenken. Bei Arbeitsunfähigkeit oder Tod boten die Zünfte finanzielle Unterstützung für das betroffene Mitglied bzw. die Witwe. Frauen imHandwerk Vor allem in den größeren Städten konnte eine Witwe das Handwerk ihres verstorbenen Ehemannes weiterführen und auch Mitglied der jeweiligen Zunft werden. Eigene Frauenzünfte sind aus Köln bekannt. Im Lebensmittel- und Textilhandwerk konnten Frauen in manchen Städten ebenfalls selbstständig arbeiten und sogar Meisterinnen werden (s. S. 120–121 und S. 132–133). Jetzt bist du dran: 1. Fasse das Aufgabenfeld der Zünfte zusammen. 2. Überlege anschließend, welche Institutionen heute diese Aufgaben übernehmen. Vergleiche dann die Situation im Mittelalter mit der heutigen. 3. Erläutere die Absicht des in M1 dargelegten Beschlusses. Welche Auswirkungen werden befürchtet? 4. Diskutiere, welche positiven und negativen Auswirkungen die Regelungen der Zünfte für Handwerker/innen und für die Stadtbevölkerung hatten. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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