2000 127 Die Gesellschaftsordnung des Mittelalters und der frühen Neuzeit wird als Ständegesellschaft bezeichnet. Dieses Prinzip fußt auf der Vorstellung dreier ungleicher gesellschaftlicher Gruppen, sogenannter Stände (lat. ordines), die jeweils unterschiedliche Aufgaben wahrzunehmen hatten. Dabei wurden Menschen nach ihren Funktionen und Tätigkeiten unterschieden. Es existierten aber noch weitere Modelle der sozialen Gliederung, die vom Ständeprinzip geprägt waren. M1 Darstellung der drei Stände Klerus, Adel und Bauer. Französische Buchmalerei, 1265–1270 Freie und Unfreie Im Recht des fränkischen Reiches des Frühmittelalters spielten der Geburts- und Rechtsstand eine wichtige Rolle bei der gesellschaftlichen Gliederung. Karl der Große hielt um 800 fest, dass es außer Freien und Unfreien nichts gebe. Bereits in der Antike hatte man die Menschen in Freie und Sklavinnen bzw. Sklaven eingeteilt. Freie konnten über sich bzw. über ihren Körper selbst verfügen und sich auch frei bewegen. Durch die Anhäufung von Reichtum und Besitz sowie durch militärische Verdienste bildeten sich aus einigen Freien die „Herren“ bzw. der Adel heraus. Diese Gruppe genoss zunehmend vererbbare Privilegien, also Vorrechte, sie besaß Grund und sie übte selbst Herrschaft aus. Die Unfreien waren jene, über die Herrschaft ausgeübt wurde. Der Rechtsstand war durch Geburt bestimmt. Um zu verhindern, dass sich Freie und Unfreie vermischten, wurden Ehen zwischen Angehörigen der beiden Gruppen möglichst unterbunden. Kinder aus einer standesungleichen Ehe erhielten den Rechtsstatus des standesniedrigeren Elternteils. Allerdings existierten in der Realität noch Zwischengruppen, wie Freigelassene und Hörige. Über Letztere konnte der Grundherr nicht in allen Bereichen verfügen. Sie waren mit ihrem Hof verbunden und konnten auch nur damit verkauft werden. Während Hörige oft persönlich frei waren, aber Abgaben und Arbeitsdienste (Frondienste) leisten mussten, waren die später häufigen Leibeigenen in ihrer Freiheit stark eingeschränkt (s. S. 116 und S. 131). Kleriker und Laien Das Christentum und die Kirche beeinflussten die Vorstellung einer gesellschaftlichen Ordnung maßgeblich. Nach diesen ließ sich die Gesellschaft grundsätzlich in Kleriker und Laien unterteilen. Ausschlaggebend war dabei der Heilswert, also wie sehr man die eigene Lebensweise an den kirchlichen Vorgaben ausrichtete. Somit war der Status des Klerus höher als jener der Laiinnen und Laien. Der Begriff Klerus bezeichnet die Gesamtheit des geistlichen Standes: hohe kirchliche Würdenträger, Priester, Mönche und Nonnen, die sich als von Gott ausgewählt verstanden. Schon seit dem 4. Jh. wurde immer wieder die ehelose oder zumindest enthaltsame Lebensweise für Geistliche gefordert. 1139 wurde dann der Zölibat von Papst Innozenz II. festgeschrieben. Aus der enthaltsamen und dem Vorbild Christi folgenden Lebensführung sowie dem damit verbundenen höchsten Heilswert leiteten sich Privilegien ab. So musste der Klerus keine Abgaben zahlen und keinen Kriegsdienst leisten. Laiinnen und Laien waren all jene Menschen, die nicht zum Klerus zählten. Augustinus, Verfasser früher kirchlicher Schriften, kannte um 400 drei Stände: die Leiter der Kirche (Priester und Bischöfe), die Enthaltsamen (Mönche) und die Verheirateten (Laien). Der Heilswert der enthaltsamen Lebensweise der Mönche wurde am höchsten eingeschätzt. Diese Wertung erklärt auch den Zustrom, den die vielen im Laufe des Mittelalters gegründeten Klöster erfuhren. Die Laiinnen und Laien, die durch die Ehe und die geschlechtliche Vereinigung nicht enthaltsam lebten, wiesen den geringsten Heilswert auf. 3.3 Die mittelalterliche Ständegesellschaft Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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