Alles Geschichte! 5, Schulbuch

2000 119 Wer sprach Recht? Im Frankenreich leiteten Grafen als Vertreter des Königs vor Ort die Verhandlungen und sieben männliche Freie sprachen Recht. Aus diesen sieben Freien gingen die heutigen Schöffinnen und Schöffen (Laienrichter/innen) hervor, die in Österreich in bestimmten Strafverfahren mit einer Richterin oder einem Richter entscheiden. Im Zweifelsfall galt der Spruch des Königs, der im fränkischen Reich nicht von einem Zentrum aus regierte, sondern von Pfalz zu Pfalz durch das Reich reiste. Im Hochmittelalter wurde zwischen hoher und niederer Gerichtsbarkeit unterschieden. Die hohe Gerichtsbarkeit oder Blutgerichtsbarkeit betraf Straftaten, die Körperstrafen oder die Todesstrafe nach sich zogen. Diese oblag dem König bzw. konnte von ihm verliehen werden. Die niedere Gerichtsbarkeit umfasste kleinere Delikte und oblag zunächst bei freien Bauern dem Dorfgericht, später dem adeligen oder geistlichen Grundherrn oder von diesen eingesetzten Richtern. Die Bürger/innen in den Städten verfügten über eigene Stadt- und Marktgerichte. Unter die kirchliche Gerichtsbarkeit fielen alle Geistlichen, aber auch Laiinnen und Laien, z. B. bei Ehebruch und Blutschande. Strafen Die Strafverfolgung hing vom sozialen Status und vom Stand des zu Verurteilenden ab, aber auch von der Straftat, die es zu ahnden galt. Vorrangiges Ziel war die Erhaltung des Friedens durch Wiedergutmachung. So existierten Geldstrafen, die unser Strafgesetz auch heute noch kennt. Andere Formen der Bestrafung, die heute zumindest in Europa unüblich sind, sind Ehren- und Körperstrafen. Ehrenstrafen zielten auf den Verlust der Ehre und zum Teil der Rechtsfähigkeit ab, konnten aber auch den Ausschluss aus der jeweiligen Gemeinschaft durch Verbannung bedeuten. Der Ausschluss aus einer Zunft oder Gilde beraubte den Bestraften seiner wirtschaftlichen Existenz. Auch Leibesstrafen, welche vom Pranger bis zur Brandmarkung reichten und an zentralen Orten öffentlich sichtbar durchgeführt wurden, zählten dazu. Eine häufige Form war die Prügelstrafe, die in der Regel bei Unfreien und in Städten bei Angehörigen der unteren Schichten oder bei Randgruppen zur Anwendung kam. Jetzt bist du dran: 1. Übersetze die Vorrede aus dem Sachenspiegel (M1) und gib ihre Aussage wieder. 2. Recherchiere, in welchen Kulturkreisen bzw. Ländern heute noch Blutrache vorkommt. Notiere auch Ursachen und Maßnahmen gegen diese Praxis. Vergleiche deine Ergebnisse mit jenen deiner Mitschülerinnen und Mitschüler. 3. Arbeite aus M2 heraus, wie Proben in Form eines Gottesurteils ausgesehen haben und wie Kaiser Friedrich II. dazu steht. Wahrheitsfindung Bei der Wahrheitsfindung setzte man im Frühmittelalter auf Eideshelfer, welche die Glaubhaftigkeit einer beklagten oder klagenden Person bestätigten. Auch die Benennung von Zeugen war ein gängiges Mittel der Wahrheitsfindung, jedoch waren davon bestimmte Gruppen der Gesellschaft, wie Unfreie, Frauen oder Rechtlose, zum Teil ausgeschlossen. Zeugen setzten sich im Hoch- und Spätmittelalter mit der Verbreitung des römischen Rechts gegenüber den Eideshelfern durch. Im Zweifelsfall griff man auf das Gottesurteil zurück. Dieses war in der Vorstellung von Gott als Hüter des Rechts, der Unschuldige schützt, begründet. Durch verschiedene Proben oder einen Gerichtskampf bei Adeligen meinte man, die Wahrheit durch Gottes Zutun finden zu können. Der Stauferkaiser Friedrich II. in den Konstitutionen von Melfi, einer Gesetzessammlung für das Königreich Sizilien, über Gottesurteile, 1231 Wir halten dafür, dass deren Gesinnung nicht nur zu korrigieren, sondern eher auszutilgen ist, die darauf vertrauen, dass sich die natürliche Hitze des glühenden Eisens mindere oder, was noch dümmer ist, es erkalte, wenn es dafür keinen richtigen Grund gibt; oder die behaupten, dass ein eines Verbrechens Angeklagter nur wegen seines schlechten Gewissens vom Element des kalten Wassers nicht aufgenommen werde, wiewohl es ihm doch nur die entsprechend zurückgehaltene Luft nicht erlaubt unterzugehen. M2 Zit. nach: Dinzelbacher: Das fremde Mittelalter, 2006, S. 85. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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