Alles Geschichte! 5, Schulbuch

112 Die unumgängliche Perspektivität und Intention von historischen Quellen feststellen Um die Bedeutung einer Quelle richtig zu beurteilen, ist es notwendig, herauszufinden, aus welcher Perspektive, also aus welchem Blickwinkel, sie geschrieben wurde und welche Absicht (Intention) der Verfasser bzw. die Verfasserin hatte. Außerdem ist es wichtig, dass du erkennst, welche Perspektive du selbst bei der Arbeit mit der Quelle einnimmst, denn dein Blickwinkel wird zwangsläufig durch Faktoren wie dein Vorwissen, deine Weltsicht, durch gesellschaftliche Normen u. Ä. mit beeinflusst. Perspektivität und Intention von Quellen herausarbeiten – so gehst du vor: −−Stelle die Urheberin oder den Urheber der Quelle und den Entstehungszeitraum oder das Entstehungsdatum fest. Untersuche, ob die Verfasserin/der Verfasser etwas Zeitgenössisches erzählt oder ob sie/er mit zeitlichem Abstand berichtet. −−Arbeite heraus, ob die Verfasserin bzw. der Verfasser über Selbsterlebtes berichtet oder sich auf Darstellungen anderer stützt. −−Untersuche den geografischen Bezug, d. h., stelle fest, ob die Verfasserin/der Verfasser einen geografischen Bezug zum Thema hatte oder nicht. −−Untersuche, aus welchem Blickwinkel die Quelle verfasst ist. Recherchiere dafür den Hintergrund der Autorin bzw. des Autors, z. B. welche religiösen, politischen, gesellschaftlichen oder biografischen Faktoren sie bzw. ihn beeinflussten. −−Recherchiere, ob die Quelle als Auftragswerk entstanden ist. Wenn ja, in wessen Auftrag und zu welchem Zweck? −−Untersuche, ob die Quelle sich an ein Publikum richtet. Wenn ja, welche Wirkung sollte sie erzielen? 2.9 Perspektivität und Intention von Quellen: Der Kreuzzugsaufruf von Urban II. Eine wichtige Quelle zu den Kreuzzügen stellt der Bericht „Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum“ („Die Taten der Franken und anderer, die nach Jerusalem gingen“) aus der ersten Hälfte des 12. Jh. dar. Der Autor dürfte dem Gefolge des Normannenfürsten Bohemund von Tarent angehört haben. Der Aufruf Papst Urbans II. zum ersten Kreuzzug am 27. November 1095 im französischen Clermont muss den Überlieferungen zufolge sehr mitreißend gewesen sein. Der genaue Wortlaut ist unbekannt, da es kein Redetranskript gibt. Es existieren jedoch zahlreiche Überlieferungen, wie in den „Gesta Francorum“. Kreuzzugsaufruf Urbans II. nach den „Gesta Francorum“ (1095) Es ist notwendig, über alles geliebte Brüder, daß ihr euren Mitbrüdern im Orient unverzüglich zu Hilfe eilt. Wie den meisten von euch schon mitgeteilt wurde, haben die Türken und Araber sie […] überfallen […]; sie haben die Länder der Christen besetzt und erobert, wobei sie viele Menschen umbrachten, Kirchen zerstörten und das Königreich verwüsteten. […] Darum ermahne ich euch flehentlich, d. h. nicht ich, sondern der Herr; […] Christus aber befiehlt es. Allen aber, die dorthin gehen und dabei, sei es auf demMarsch oder sei es im Kampf, den Tod riskieren, wird die sofortige Vergebung ihrer Sünden zuteil werde; dies sichere ich allen zu, die gehen werden, da ich von Gott mit dieser Gabe ausgestattet bin. Oh, welche Schande, wenn eine Menschenart, so verabscheuungswürdig, so verkommen, dem Teufel untertan, das Volk des allmächtigen Gottes, das mit dem Glauben beschenkt ist, in dieser Weise überwältigt! Oh, wieviel Sünden werden euch vom Herrn selbst angerechnet werden, wenn ihr Ihnen nicht helft! Nun sollen Soldaten Christ werden, die gerade noch Räuber waren; jetzt sollen rechtmäßig die gegen Barbaren kämpfen, die einst gegen Brüder und Blutsverwandte stritten. M1 Gemein/Cornelissen: Kreuzzüge und Kreuzzugsgedanke in Mittelalter und Gegenwart, 1992, S. 44 (alte Rechtschreibung). Zit. nach: Hinz: Die Kreuzzüge, 2017, S. 114. Jerusalem hat für alle drei monotheistischen Weltreligionen eine zentrale Bedeutung. Jüdinnen und Juden verehren den Tempelberg und die Klagemauer, die Reste des ersten Tempels. Christinnen und Christen verehren die Grabeskirche und für Muslimas und Muslime ist der Felsendom eines der bedeutendsten Heiligtümer. KOMPETENZTRAINING Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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