2000 103 Die Karolinger – Ausweitung der Macht Bereits Karl Martell, der Vater Pippins des Jüngeren, setzte die Macht der Karolinger vor anderen Adeligen und auch gegenüber den faktisch machtlosen Merowingern durch. Er erzielte für das Frankenreich zahlreiche militärische Erfolge, z. B. 732 gegen die Araber bei Tours und Poitiers sowie gegen die Sachsen, Friesen und Bayern im Osten. Damit schuf er die Grundlage der expansiven Politik seines Enkels Karls des Großen. Zunächst legte aber sein Sohn Pippin den Grundstein für den Aufstieg der Karolinger, als er von Papst Zacharias die Königswürde erlangte. Nach einem erfolgreichen Feldzug gegen die Langobarden, welche Rom, den Sitz der Päpste, bedrohten, schenkte er Zacharias’ Nachfolger durch die „Pippinische Schenkung“ 754 Rom und Teile Mittelitaliens. Dies war die Grundlage für den bis 1870 bestehenden Kirchenstaat. Fränkische Expansion unter Karl demGroßen Unter Karl dem Großen (768–814) wurde das Frankenreich nochmals deutlich vergrößert. In langwierigen Kriegen ab 772 unterwarfen seine Truppen die Sachsen im Norden, welche zwangsmissioniert wurden und Tribute sowie den Zehnt (den zehnten Teil des bäuerlichen Ertrages) leisten mussten. Einem Hilferuf des Papstes folgend, eroberte Karl 774 die langobardische Königskrone und stärkte seinen Einfluss in Italien. 788 gelang im Osten die gewaltsame Eingliederung des Herzogtums Bayern in das Frankenreich, weiters unterwarf er slawische Stämme. Die Reformen Karls des Großen Karl stärkte seine Herrschaft auch, indem er die Position der Kirche festigte, Kultur und Wissenschaft förderte und die Verwaltung zentralisierte. Dabei legte er den Grundstein für die im Mittelalter geltenden Abhängigkeitsverhältnisse, indem er Grafen als seine Stellvertreter vor Ort einsetzte und diese dafür mit Grund und Boden belehnte. Boten überbrachten seine Befehle an die Grafen und kontrollierten sie. Die Grafen und weitere Vasallen (das waren Männer, die für Kriegsdienste mit Grundherrschaft entlohnt wurden) waren durch einen Treueeid an Karl gebunden. Kaiserkrönung und Nachwirkung Die Kaiserkrönung durch Papst Leo III. (800) stellt den Höhepunkt von Karls Herrschaft dar. Damit war das römische Kaisertum im Westen erneuert und der Herrschaftsanspruch des Frankenreiches deutlich gemacht. Zeitgenossen setzten Karls Reich mit Europa gleich und er wurde als Vater bzw. König Europas betitelt. Dieses Bild von Karl als „Gründer“ Europas hat sich bis heute erhalten und wird kontrovers diskutiert (s. S. 22–23). Kreuzzug und Djihad Die von Karl dem Großen […] ausgebildete christlich-europäische Identität entstand in Reaktion auf die islamische Bedrohung; sie wurde als Legitimierung für seine neue, karolingische Ordnung verwendet. Diese Aussage steht nicht im Widerspruch dazu, dass es Karl dem Großen als zutiefst religiösem Menschen ein besonderes Anliegen war, seinem Glauben zur Verbreitung zu verhelfen; das war auch der Grund für seine ständigen kriegerischen Auseinandersetzungen mit den „heidnischen“ Sachsen, die er niedermetzelte. M3 Tibi: Kreuzzug und Djihad. Der Islam und die christliche Welt, 2001, S. 92 ff. Karl, der große Europäer? Da galt es, die Heiden dem rechten Glauben zu unterwerfen und das eigene Reich in rechter Weise zu ordnen. Solches Handeln hatte […] Augustinus den Königen geraten, um ewige Seligkeit zu erlangen. […] Die Zeitgenossen wussten es gebührend zu würdigen: „Waffengewaltig“, „schwergewaltig“ „kriegsmächtig“ – so priesen sie den König. Machtstreben, Skrupellosigkeit und Verschlagenheit zeichneten ihn aus. Von Beginn seiner Regierung […] führte er Krieg. M4 Fried: Ein dunkler Leuchtturm. Der Spiegel 3/2002. Online auf: www.spiegel.de (1.12.2020). Teilung des Frankenreiches Nach Karls Tod wurde das Reich unter seinen Nachfolgern geteilt und durch Einfälle der Wikinger im Norden sowie der Magyaren im Osten geschwächt. Letztendlich entstanden Frankreich im Westen und das Heilige Römische Reich im Osten. Jetzt bist du dran: 1. Skizziere mit Hilfe der Karte (M1) und des Autorentextes die fränkische Expansion. Benenne dabei die heutigen Staaten, welche das Frankenreich umfasste. 2. Analysiere Gregors Bericht über Chlodwigs Taufe (M2). Erläutere, welche Wirkung der Bischof und Historiker Gregor möglicherweise erzielt hat. Begründe deine Vermutung. 3. Beurteile ausgehend vom Autorentext unter Bezugnahme auf M1, M3 und M4 die Eignung der historischen Persönlichkeit Karls als Gründervater Europas. Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv
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