Alles Geschichte! 5, Schulbuch

10 1.2 Belegbarkeit: Die Urgeschichte – eine Herausforderung für die Geschichtswissenschaft Aussagen und Interpretationen über die Vergangenheit und Gegenwart anhand von Belegen aus Quellen und Darstellungen nachvollziehen (Belegbarkeit) Historikerinnen und Historiker müssen ihre Aussagen und Interpretationen über Vergangenheit und Gegenwart belegen, d. h., sie müssen sie durch Quellen oder Darstellungen „beweisen“. Du lernst in diesem Kapitel, diese Belegbarkeit zu überprüfen. Der Unterschied zwischen einer Aussage und einer Interpretation liegt darin, dass bei einer Aussage aus den aktuell vorhandenen Belegen ein bestimmter Schluss gezogen werden kann, während eine Interpretation impliziert, dass man die Belege auch anders deuten könnte, zum Beispiel, weil zusätzliche Informationen fehlen. Interpretationen sind also weniger eindeutig, oft ist die Grenze allerdings fließend. Belegbarkeit von Aussagen und Interpretationen nachvollziehen – so gehst du vor: −−Arbeite heraus, ob es sich um eine Aussage oder eine Interpretation handelt. −−Untersuche, wie der Urheber oder die Urheberin die Aussage oder Interpretation begründet. Werden zum Beispiel Quellen vorgelegt, die diese stützen, oder wird auf die Arbeit bestimmter Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler Bezug genommen? −−Beurteile abschließend, ob der angeführte Beleg tatsächlich zu der getroffenen Aussage oder Interpretation passt. Diese benötigen in der Regel aber mehr Interpretation als schriftliche Zeugnisse. Deshalb lassen sich einige Sachverhalte nicht mit letzter Sicherheit rekonstruieren. Umso wichtiger ist es, nachvollziehbar zu machen, auf welche Belege man Aussagen und Interpretationen stützt. Die neolithische Revolution – ein Fortschritt? Mit den Erfindern der Landwirtschaft traten vor mehr als 10 000 Jahren die Architekten der Zivilisation auf den Plan. Die neolithische Revolution, wie der australische Archäologe Gordon Childe den Umbruch vom Jäger- und Sammlerleben der Altsteinzeit zu Landwirtschaft und Sesshaftigkeit der Jungsteinzeit taufte, führte den Menschen unwiderruflich auf den Weg in die technische Kultur von heute. Zum ersten Mal veränderte er das Gesicht des Planeten. […] Ein prähistorisches Wirtschaftswunder befreite große Teile der Bevölkerung von der täglichen Suche nach Nahrung. Zum ersten Mal konnte es Handwerker, Bauarbeiter, Bürokraten und Soldaten geben. […] [D]ass die Landwirtschaft den Menschen sogleich ein besseres Leben bescherte, ist ziemlich fraglich. Durch die Schufterei konnte man zwar letztlich große Menschenmassen zuverlässig ernähren. Zunächst aber forderte sie einen furchtbaren Zoll: In den Skeletten früher Bauern finden sich Indizien für Minderversorgung, womöglich durch Vitamin- und Eiweißmangel oder schlichten Hunger. Und die Menschen schrumpften. „Wir sehen eine drastische Reduktion der Körpergröße“, sagt der Paläoanthropologe Jean-Jacques Hublin vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „In der Übergangsphase waren die Leute schlecht ernährt.“ Schwerer noch wogen die Folgen der aufblühenden Viehzucht. Die Menschen lernten zum ersten Mal die Bedeutung des Wortes Seuche kennen. […] Durch den engen Kontakt mit Tieren dürften sich die Steinzeitbauern mit Erregern infiziert haben, die später zu Masern, Pocken, Tuberkulose und menschlichen Grippeviren wurden. M1 Bahnsen: Der Treck nach Westen, in: Die Zeit, 20.7.2006. Online auf: www.zeit.de (26.7.2021). Klare Aussagen über die Urgeschichte zu machen, stellt für Historikerinnen und Historiker eine besondere Herausforderung dar. Im Gegensatz zu späteren Epochen gibt es nämlich aus dieser Zeit keinerlei schriftliche Quellen. Das heißt, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen sich auf bildliche und dingliche Quellen verlassen. KOMPETENZTRAINING Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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