Bausteine Geschichte 3, Schulbuch

74 Geschäftsladen nach der Plünderung in Nachod, Böhmen (Foto aus „Das interessante Blatt“ vom 20. April 1899) Um 1900 machten Jüdinnen und Juden etwa vier Prozent der Gesamtbevölkerung von Österreich-Ungarn aus. Die meisten lebten in Wien und in den östlichen Gebieten der Monarchie. Sie hatten keine gemeinsame Sprache und waren unterschiedlich in die Gesellschaft der jeweiligen Region integriert. Der Antisemitismus entwickelte sich nicht überall gleich – um die Jahrhundertwende war er vor allem in Wien und Böhmen sehr stark. 2 Krisenmanager Kaiser Franz Joseph I.? Krisen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Gewinner und Verlierer Die deutschsprachige und die ungarischsprachige Bevölkerung waren die Gewinner des Ausgleichs von 1867. Die anderen Volksgruppen waren deshalb schwer enttäuscht. Ihre Forderungen nach mehr Selbstständigkeit wurden von den deutschnationalen und ungarischen Kräften unterdrückt. Andauernde Streitigkeiten zwischen den Völkern und gegen die Monarchie waren die Folge. Trotzdem gab es auch Verbesserungen, zum Beispiel im Bildungs- und Gesundheitswesen. Die Bevölkerung war gespalten: Gegnerinnen und Gegner der Monarchie nannten sie „Völkerkerker“, die anderen sahen sie als Vorbild für das Zusammenleben von vielen Volksgruppen. Die zunehmende Industrialisierung und häufige Wirtschaftskrisen veränderten das Alltagsleben der Menschen. Viele konnten sich nicht auf die neuen Herausforderungen einstellen und hatten große Angst vor sozialem Abstieg und Armut. Antisemitismus Seit dem Mittelalter wurden jüdische Menschen aus religiösen und wirtschaftlichen Gründen immer wieder verfolgt. Im christlichen Europa wurden sie meist von der restlichen Bevölkerung ausgegrenzt. Sie mussten in eigenen Stadtteilen, sogenannten „Ghettos“, leben und hatten weniger Rechte. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstand für die Feindschaft oder gar den Hass gegenüber jüdischen Menschen der Begriff Antisemitismus. Viele Personen in Politik und Wirtschaft behaupteten, dass die Jüdinnen und Juden nicht nur eine eigene Religion hätten, sondern auch ein eigenes Volk seien. Den jüdischen Menschen machten sie den Vorwurf, dass sie die Wirtschaft schädigen würden und damit schuld an der Not der Menschen seien. A B Kronprinz Rudolf mit seiner Gattin Stefanie von Belgien (Foto um 1885) Rudolf war der einzige Sohn von Kaiser Franz Joseph und dessen Frau Kaiserin Elisabeth. Er wurde von frühester Kindheit an als Thronfolger erzogen und erhielt eine strenge militärische Ausbildung. Später interessierte er sich für die Ideen des Liberalismus. Sein konservativer Vater war damit nicht einverstanden und schloss ihn von den Regierungsentscheidungen aus. 1889 beging er Selbstmord. Zuvor tötete er seine Geliebte Mary Vetsera. 1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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