36 Jüdisches Leben … … im österreichischen Teil des Habsburgerreiches Jüdische Gemeinden Für die Gründung einer jüdischen Gemeinde waren zehn männliche Juden nötig. Sie mussten genug Geld haben, um die Organisation und Erhaltung einer Synagoge, einer Schule, eines Gerichts- und eines Friedhofes zu bezahlen. Badehäuser, Schlachthäuser, Backstuben und Krankenhäuser gab es in manchen jüdischen Gemeinden. Die Gemeinde regelte das Zusammenleben ihrer Mitglieder und sorgte für Schutz und Vertretung nach außen. Die Vorsteher der jüdischen Gemeinde wurden gewählt. In den meisten Städten und Dörfern lebten zu wenige jüdische Familien, um sich eine eigene jüdische Gemeinde leisten zu können. Man spricht dann von jüdischen Gemeinschaften oder Niederlassungen. Toleriert oder illegal? Seit dem Mittelalter durften Juden kein landwirtschaftlich nutzbares Land besitzen oder ein Handwerk innerhalb einer Zunft ausüben. Als Bauern oder Handwerker konnten sie also nicht arbeiten. Nur innerhalb der jüdischen Gemeinde durften sie als Metzger, Dienstboten oder Rabbiner* tätig sein. Die Bereiche Handel und Geldleihe blieben als wichtige Einnahmequellen übrig. Juden durften bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts kein Haus kaufen. Sie mussten zur Miete wohnen. Das Toleranzpatent ermöglichte, ein Ansuchen um Aufenthaltsgenehmigung zu stellen. Es musste begründet werden, was man Nützliches für Österreich tun und wie viel man jährlich für den Aufenthalt bezahlen konnte. Wanderhändler und ihre Familien durften sich nur während eines Marktes im Ort aufhalten. Viele blieben aber nach den Markttagen, vor allem in Wien. Sie waren nun illegal da, weil sie zu arm waren, um die Aufenthaltsgenehmigung zu zahlen. A B Synagoge Graz (erbaut 1892, Foto von 1915) In der Synagoge fanden Gottesdienste, Gebete und Lernen statt. In den wohlhabenden Gemeinden trafen sich die männlichen Gemeindemitglieder zweimal täglich zum Gebet. Am Morgen folgte auf das Gebet eine Lernstunde. Deshalb und wegen weiterer Lernzeiten erhielten Synagogen auch den Namen „Schul“. Frauen und Männer beteten in getrennten Räumen. Synagogen waren nicht immer von außen zu erkennen. In ärmeren jüdischen Gemeinden bestanden sie oft nur aus einem Zimmer. 1 Quelle: Antwort von Rabbi Meir von Rothenburg auf die Mitteilung, dass ein Jude seine Frau häufig schlage (Martha Keil: Gemeinde und Kultur, S.105) Jüdische Frauen wurden als Ehefrauen, Mütter oder Witwen hochgeschätzt. Nach jüdischem Recht durften Ehefrauen und Töchter genauso erben wie Söhne. Rabbi Meir lebte von 1215 bis 1293 und war ein berühmter und gefragter Gelehrter. Es sind viele seiner Schriften und Antworten auf Fragestellungen erhalten. „Ein Jude muß seine Frau mehr ehren als sich selbst. […] Wenn er sie weiterhin schlägt, soll er gebannt und gegeißelt werden und die schwersten Strafen erleiden, sogar das Abhacken seines Armes. Wenn seine Frau die Scheidung will, muß er sie scheiden und ihr die Ketubba* auszahlen.“ 2 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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