64 Reichtum und Elend Wohlhabende Händler und Kaufleute, arme Bettler und Tagelöhner – Städte sind voller Gegensätze. Wer hat in der Stadt das Sagen? In der mittelalterlichen Stadt regelte der Bürgermeister gemeinsam mit dem Stadtrat alle Angelegenheiten. Die Versammlungen fanden im Rathaus statt. Anfangs waren nur Mitglieder von adeligen Familien und reichen Kaufmannsfamilien im Stadtrat. Handwerker und Händler erhielten erst im 14. und 15. Jahrhundert nach teilweise blutigen Kämpfen ein Mitspracherecht. Frauen und die jüdische Bevölkerung waren nicht im Stadtrat vertreten und hatten so gut wie keine politischen Mitbestimmungsrechte. „Handwerk hat goldenen Boden“ Der Großteil der Stadtbevölkerung arbeitete in einem Handwerk. Nur wer Mitglied einer Zunft war, durfte den Beruf ausüben. Die Zünfte regelten die Arbeitszeit, den Lohn und die Ausbildung der Lehrlinge. Sie legten die Qualität der Waren und die Preise fest und sorgten für kranke Mitglieder. Gesellen wanderten von Stadt zu Stadt, um Arbeit zu finden und sich weiterzubilden. Gesellen und Lehrlinge lebten im Haus des Meisters unter seiner Kontrolle. Gilden kümmerten sich um die Händler, so wie die Zünfte um die Handwerker. „Unehrliche Leute“ Bei diesem Begriff denken wir heute an Menschen, die stehlen und betrügen. Im Mittelalter meinte man damit Menschen, deren Beruf verachtet wurde. Dazu gehörten Henker, Totengräber, Bettlerinnen, Bettler, Spielleute* und Gauklerinnen und Gaukler*. Außenseiterinnen und Außenseiter waren auch jene Menschen, die nachts die Fäkalien* beseitigten. Je nach Region hießen sie zum Beispiel Goldgrübler oder Heimlichkeitsfeger. A B C Die Feier des Passah-Fests (Buchmalerei, Niederlande, 15. Jahrhundert) Eine besondere Bevölkerungsgruppe bildeten die Jüdinnen und Juden. Einerseits wurden sie ausgegrenzt: Sie durften nur in festgelegten Straßen wohnen und mussten besondere Kleidung tragen, damit man sie sofort auf der Straße erkannte. Sie durften ein Handwerk nur innerhalb der jüdischen Gemeinde ausüben. Sie erhielten kein Bürgerrecht. Andererseits war ihre Anwesenheit erwünscht, weil sie als Ärzte, Seefahrer, Händler und einige als Geldverleiher wichtig waren. Christinnen und Christen war der Geldverleih gegen Zinsen zu dieser Zeit nicht erlaubt. 2 Zunftzeichen (Illustration, 2023) Heute gibt es keine Zünfte mehr. Trotzdem existieren ihre Zeichen noch in vielen Berufen und bei vielen Firmen. Diese Zeichen werden heute meistens Logo genannt. Man findet sie auf Firmenschildern an der Eingangstür oder auf dem Gebäude, auf Firmenautos, Firmenhomepages und Firmenbriefpapier. 1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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