Das Zahlenbuch 1, Lehrerband

167 dass keine Abschottung im Sinne von „Das dürfen wir noch nicht rechnen!“ vorgenommen wird. Ein typisches Beispiel für Anregungen in der „Zone der nächsten Entwicklung“ sind die vielen offenen Übungen im ZAHLENBUCH, in denen die Kinder den Zahlenraum selbst wählen können – viele Kinder werden dabei über die 20 hinausgehende Überlegungen anstellen. Anleitung zum selbstständigen und eigenverantwortlichen Umgang mit dem ZAHLENBUCH Grundvoraussetzung für lebenslanges Lernen ist die Fähigkeit, Texte eigenständig erschließen zu können. Auch im Mathematikunterricht muss diese Fähigkeit gefördert werden. Nicht nur bei der Besprechung von Themenblöcken sollten die Kinder versuchen, sich so weit wie möglich selbst ein Bild von den Lernaufgaben zu machen. Auch bei einzelnen Doppelseiten des ZAHLENBUCHs sollte die Lehrperson bei der Vorbesprechung typischer Beispiele und der anschließenden Bearbeitung der Seite die Kinder selbst überlegen lassen, worum es im einzelnen geht, und sich auf Verständnishilfen beschränken, z. B. die Vorgabe konventioneller Sprechweisen, Schreibweisen und zeichnerischer Darstellungen. Je weiter die Lesefähigkeit entwickelt ist, desto mehr sollten die Kinder versuchen, sich neue Aufgaben alleine zu erschließen. Im Klassengespräch können die verbleibenden Unklarheiten anschließend beseitigt werden. Das ZAHLENBUCH unterstützt diese aktive Sinnkonstruktion, insbesondere durch die vielen Illustrationen, in denen Handlungen angedeutet und in einfach formulierten Sprechblasen durch wenige Worte beschrieben werden. Im Interesse des selbstständigen Arbeitens sollte auch das Auffinden und Aufschreiben von Lösungen im Rahmen der fachlichen Vorgaben den Kindern überlassen werden. Zudem wiederholen sich die grundlegenden Aufgabenstellungen im ZAHLENBUCH immer wieder, so dass der Zugang zur Aufgabe für die Lernenden in unterschiedlichen Themengebieten erleichtert wird. Aus diesen Überlegungen geht hervor, dass mit der Förderung der Eigenaktivität auch die Eigenverantwortung der Kinder für ihr Lernen gestärkt werden muss. Anleitung zum kooperativen und interaktiven Umgang mit dem ZAHLENBUCH Zur Unterstützung des selbstständigen Arbeitens wird eine Organisationsform empfohlen, die in den letzten Jahren wieder an Bedeutung gewinnt, da sie insbesondere für das Lernen in der Volksschule von herausragender Bedeutung ist: Die Arbeit in Kleingruppen, die zum einen Absprachen zwischen den Lernenden erfordert, zum anderen die Entwicklung von verschiedenen Sichtweisen und die reflexive, argumentativ gestützte Vertiefung eigener Ideen fördert. Die Organisation solcher Gruppen erfordert einen bestimmten Aufwand, lohnt sich aber. Die Kinder einer Gruppe (in der ersten Klasse ist zu empfehlen, diese zumeist auf Partnerarbeiten zu konzentrieren) sollen sich gegenseitig beim Aufbau von Verständnis unterstützen, natürlich ohne einander die Arbeit abzunehmen. Auf diese Weise wird auch die Verantwortung für das soziale Lernen gefördert. Es ist weder notwendig noch sinnvoll, ausschließlich annähernd leistungshomogene Gruppen zu bilden. Die Befürchtung, dass mathematisch interessierte und begabte Kinder durch Kinder, die Schwierigkeiten beim Lernen zeigen, „gebremst“ würden, besteht nicht. Gerade im Austausch mit ggf. langsam lernenden Kindern werden sie angeregt, den Stoff noch tiefer zu durchdringen und ihre kommunikativen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Dies gilt auch für den inklusiven und altersgemischten Unterricht. Im ZAHLENBUCH finden sich insbesondere dann Anregungen für kooperatives Arbeiten, wenn Aufgaben auf unterschiedliche Weise bearbeitet werden können oder wenn Rechenwege oder mathematische Erkenntnisse formuliert und anderen mitgeteilt werden sollen. Gute Erfahrungen haben wir gemacht, wenn Kinder nicht allein informell zusammen arbeiten, sondern in kooperatives Arbeiten eingeführt werden – z. B. indem über verschiedene Rollen bei der Zusammenarbeit gesprochen wird: – In der Partnerarbeit legt beispielsweise ein Kind eine Aufgabe mit Plättchen, das andere Kind nennt anschließend die Anzahl; daraufhin wechseln die Rollen (das sog. „Waagemodell“). – Eine Partnerarbeit kann auch in drei Phasen gegliedert werden: (1) Ein Problem wird individuell bearbeitet, (2) Zwei Kinder treffen sich und tauschen sich über ihre Lösungen aus, (3) Beide Kinder entwickeln für weitere Aufgabenstellungen gemeinsame Lösungen und präsentieren diese anderen Kindern (das sog. „Weggabelungsmodell“ bzw. „Ich-du-wir-Modell“). – Eine „Mathekonferenz“ bietet auf ähnliche Weise den Kindern ein Forum, individuell entwickelte Rechenwege mit anderen Kindern auszutauschen und zu vergleichen. Im Kern sollen die Kinder ihre Strategien zu einer mathematischen Aufgabe besprechen und sich gegenseitig Hinweise zur Verbesserung der Strategien geben (ähnlich wie in einer Schreibkonferenz). Der Umgang mit Fehlern Im belehrenden Unterricht wird angestrebt, die Lernenden zur fehlerlosen Reproduktion von vorgegebenen Verfahren zu führen. Von diesem Standpunkt aus ist eine möglichst genaue Beobachtung der Lernfortschritte des einzelnen Kindes gemessen an den Vorgaben wünschenswert, damit Fehler möglichst schnell „diagnostiziert“ und „ausgemerzt“ werden können. Entsprechend sind möglichst wirksame Rezepte zur „Fehlertherapie“ gefragt. Die Jahrhunderte langen Erfahrungen mit dem belehrenden Unterricht zeigen, dass dieser Weg, so verlockend er scheint, nicht zum Ziel führt. „Von außen“ kommt man dem Lernprozess und den dabei auftretenden Fehlern nicht bei, ganz abgesehen davon, dass es für die Lehrkraft in einer Klasse mit 20 bis 30 Kindern gar nicht möglich ist, den Lernprozess jedes einzelnen Kindes genau zu verfolgen. Im aktiv-entdeckenden Unterricht wird mit Fehlern anders umgegangen: Die Kinder erhalten zuerst einmal Zeit, um sich selbst an neuen Aufgaben zu versuchen, alleine oder im Austausch mit anderen Kindern. Auf diese Weise können sie die notwendige Verbindung zu ihrem Vorwissen am besten herstellen. Bei diesen ersten Versuchen werden auch Fehler auftreten, denn es gehört zum Wesen des Lernens Fehler zu machen. Die Kinder brauchen natürlich eine Rückmeldung zu Fehlern, die sie selbst nicht erkennen. Anhaltspunkte zu Beobachtungsschwerpunkten während der Arbeit der Kinder liefert die Rubrik „Diagnostisches Potenzial“, die für jede Doppelseite erstellt wurde. Rezepte zur Fehlervermeidung gehen aber am Problem vorbei. Die Rückmeldung muss in erster Linie auf die Herstellung eines Verständniszusammenhangs abzielen. Hinweise dazu liefert die Rubrik „Möglichkeiten zur Unterstützung“ für jede Doppelseite des Schulbuchs. Damit werden die Kinder besser befähigt, von sich aus Fehler zu vermeiden, als durch von außen mitgeteilte Rezepte zur Fehlervermeidung, deren blinde Befolgung selbst eine Fehlerquelle ist. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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