Das Zahlenbuch 1, Lehrerband

165 Spiralige Entwicklung der Grundideen über die Stufen hinweg Die mathematischen Grundideen der Inhaltsbereiche werden nach dem Spiralprinzip entwickelt, d. h. der Unterricht greift sie immer wieder auf, vertieft sie und führt sie in den folgenden Stufen weiter. Die Kinder können so Schritt für Schritt in die Mathematik hineinwachsen. Auf diese Weise wird nachhaltiges Lernen gesichert. So erscheint zum Beispiel die Idee „Zehnersystem“ in der Frühförderung im „Zehnerfeld“, das im ersten Band zum „Zwanzigerfeld“ ausgebaut wird. Im zweiten Band wird das Zehnersystem weitergeführt und durch das „Hunderterfeld“ und die „Hundertertafel“, im dritten durch das „Tausenderbuch“ und das „Tausenderfeld“ und im vierten durch das „Millionbuch“ repräsentiert. Lernziele und Kompetenzen Um die inhaltliche Orientierung zu bewahren, die für einen fachlich fundierten Unterricht absolut notwendig ist, werden im ZAHLENBUCH seit jeher die „inhaltsbezogenen mathematischen Kompetenzen“ der Bildungsstandards als „inhaltliche Lernziele“ und die „allgemeinen mathematischen Kompetenzen“ als „allgemeine Lernziele“ verstanden. Da bereits in der Originalausgabe 1994/97 inhaltliche und allgemeine Lernziele ausgewiesen und in produktiven Übungen miteinander verzahnt wurden, war das ZAHLENBUCH auch in diesem Punkt seiner Zeit weit voraus. Inhaltliche Lernziele beschreiben also angezielte Kenntnisse und Fertigkeiten, z. B. das Einspluseins, das Einmaleins, die schriftlichen Rechenverfahren, Konstruktionen mit Zirkel und Lineal oder die Umrechnung von Größeneinheiten. Allgemeine Lernziele beschreiben den mathematischen Erkenntnisprozess und sind daher für das Mathematiklernen von der Volksschule bis zur Universität maßgeblich. Heinrich Winter gebührt das Verdienst, sie bereits 1975 mustergültig formuliert zu haben. Seine Liste lautet in etwas anderer Formulierung wie folgt: 1. Mathematisieren, d. h. reale Situationen in die Sprache der Mathematik übersetzen, mit Mitteln der Mathematik Lösungen bestimmen und das Ergebnis für die reale Situation interpretieren, 2. Explorieren, d. h. Situationen probierend erforschen, Beziehungen und Strukturen entdecken, Strukturen erfinden, kreative Ideen entwickeln, 3. Argumentieren, d. h. mathematische Sachverhalte und Lösungswege erklären und begründen, 4. Formulieren, d.h. mathematische Sachverhalte und Lösungswege mündlich und schriftlich beschreiben. Inhaltliche Lernziele (Kompetenzen) schaffen eine gute Basis für die Förderung allgemeiner Lernziele (Kompetenzen) und umgekehrt. Insofern bedingt jede Lernzielkategorie die andere. Für die praktische Arbeit muss aber ein wichtiger Unterschied im Auge behalten werden: während sich bei inhaltlichen Lernzielen vorzeigbare Erfolge in einem begrenzten Zeitraum erzielen lassen, stellen sich Fortschritte bei den allgemeinen Lernzielen nur langfristig und nur dann ein, wenn mit Geduld und Beharrlichkeit an ihnen gearbeitet wird. Dies ist besonders wichtig, wenn die Eingangsvoraussetzungen der Kinder im Entdecken, Beschreiben und Begründen von Mustern und Strukturen sehr niedrig sind, was in einem ungünstigen Umfeld häufig vorkommt. Sparsamkeit in Arbeitsmitteln und bildlichen Darstellungen: Weniger ist mehr Anschauungs- und Arbeitsmittel wirken weder unmittelbar noch eindeutig. Vielmehr müssen sich die Kinder erst in sie einarbeiten. Dies erfordert Zeit. Angesichts des engen Zeitrahmens verbietet es sich daher, eine große Zahl von Materialien heranzuziehen. Im ZAHLENBUCH wurde das Problem der Auswahl von Demonstrations- und Anschauungsmitteln auf folgende Weise gelöst: genau die Materialien wurden ausgewählt, mit denen man die mathematischen Grundideen am besten verkörpern kann. Ihr ständiger Gebrauch schafft die besten Voraussetzungen dafür, dass Darstellungen in Vorstellungen übergehen und eine Grund- lage für mentale Operationen bilden. Aus dem gleichen Grund werden im ZAHLENBUCH auch bildliche und symbolische Darstellungen sowie Sprechweisen und Fachausdrücke auf diejenigen beschränkt, die weiterführende Bedeutung haben. Besondere Aufmerksamkeit erfahren dabei grundlegende Datenstrukturen (Tabellen, Listen, Diagramme und Rechenpläne). Richtige Nutzung der Darstellungsformen Vom Standpunkt des aktiv-entdeckenden und sozialen Lernens sind konkrete Materialien sowie bildliche und symbolische Darstellungen nicht als Hilfsmittel der Belehrung, sondern als Hilfen für das Lernen in der Hand der Kinder aufzufassen. Das ZAHLENBUCH verbindet die Nutzung konkreter Materialien („enaktiv“), zeichnerischer Darstellungen („ikonisch“) und formaler Darstellungen („symbolisch“) mit der ganzheitlichen Behandlung von Rahmenthemen. Ein zu früher Übergang zum formalen Rechnen ist Gift für das Verständnis und wird im ZAHLENBUCH vermieden. So wird zum Beispiel der gesamte Zwanzigerraum zuerst mit Material gestützt erarbeitet. Erst durch die dabei entwickelten Fähigkeiten, Zahlen zu zerlegen und zusammen zu setzen, werden die Kinder dazu in die Lage versetzt, formale Schreibweisen inhaltlich zu füllen und verständig zu nutzen („Prinzip der fortschreitenden Schematisierung“). Auf zwei Punkte muss dabei besonders geachtet werden: 1. Mit der Einführung formaler Darstellungen verlieren Arbeitsmittel und Bilder keineswegs ihre Bedeutung. Sie werden immer benötigt, wenn es um das Verstehen, Beschreiben und Mitteilen von Lösungswegen, das Aufzeigen von Beziehungen zwischen Aufgaben und Lösungen, das Lösen kombinatorischer Aufgaben oder um die Modellierung von Sachsituationen geht. Den Kindern wird diese Botschaft am besten dadurch übermittelt, dass die Lehrperson Arbeitsmittel im Unterricht selbst mit der größten Selbstverständlichkeit verwendet. Auf diese Weise lässt sich auch das unter Kindern (und auch Eltern!) verbreitete Vorurteil am wirkungsvollsten ausräumen, die Verwendung von Plättchen sei ein Zeichen für mangelnde Rechenkompetenz. Letztendlich muss aber jedem Kind die Freiheit zugestanden werden, die verschiedenen Darstellungsmittel individuell zu nutzen. 2. Der handelnde („operative“) Umgang mit Mathematik ist keineswegs nur auf „enaktive“ Darstellungen beschränkt, sondern schließt „ikonische“ und „symbolische“ Darstellungen ein. Auch an bildlichen Darstellungen (z. B. der Zahlenreihe) oder an symbolischen Darstellungen (z. B. Rechensätzen) kann man operieren. Im ZAHLENBUCH wird dieser operative Zugang, den Arnold Fricke (angeregt durch Jean Piaget und Hans Aebli) eröffnet hat, besonders gepflegt. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=