Das Zahlenbuch 1, Lehrerband

164 Unsere Arbeit ist von der Überzeugung getragen, dass die Reform des Mathematikunterrichts nur in einem stetigen Prozess gelingen kann. Auch bei der Entwicklung des ZAHLENBUCHs wurde daher bewusst die bewährte Praxis des Mathematikunterrichts der Volksschule aufgenommen und weitergeführt. Im Mittelpunkt des Werkes stehen die zentralen Inhalte der Arithmetik (Einspluseins, Einmaleins, halbschriftliches Rechnen, schriftliche Rechenverfahren) und deren Anwendungen auf das Sachrechnen, die nach wie vor den Kern des Unterrichts ausmachen. Unter der Devise „Weniger ist mehr“ wurde zurückgegriffen auf altbewährte Anschauungsmittel (Wendeplättchen, Zehnerfeld, Zwanzigerfeld, Hunderterfeld, Hundertertafel, Stellenwerttafel, Zahlenstrahl und Rechenstrich), die durch passende Neuentwicklungen komplettiert wurden (Wendekarten, Poster zum Einspluseins und Einmaleins, Tausenderbuch, Sortierkarten). Die Ergebnisse der Hirnforschung zeigen, dass ein Teil unseres Gehirns auf die Erkennung und Verarbeitung von Zeichen, insbesondere von Zahlen, der andere auf die Erkennung und Verarbeitung von Bildern spezialisiert ist. Um beide Teile zu aktivieren wird im ZAHLENBUCH die Geometrie von der Frühförderung an besonders gepflegt. Sie bildet einen schlüssigen Lehrgang. Dies kommt auch der Arithmetik und dem Sachrechnen zugute, denn in beiden Bereichen werden geometrische Darstellungen vielfach benutzt (Punktmuster, Zahlenstrahl, Diagramme, Situationsskizzen usw.) Schon bei ersten Ausgabe 1994/97, also lange vor den Bildungsstandards, wurden in das ZAHLENBUCH auch die Elemente neuer Inhaltsbereiche (Stochastik1, Kombinatorik) aufgenommen und organisch mit den klassischen Inhaltsbereichen verbunden. In der betont fachlichen Fundierung und im ganzheitlichen Zugang zum Lernen wurden im Projekt „mathe 2000“ und im ZAHLENBUCH neue Wege beschritten, die gerade heute angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen an den Unterricht hochaktuell sind. Diese Wege sind insofern nicht völlig neu, als sie von fortschrittlichen Mathematikdidaktikerinnen und -didaktikern vorgezeichnet waren. Für ihre konsequente praktische Umsetzung in der Breite ist das ZAHLENBUCH das Original. Fachliche Fundierung: Mathematik als Wissenschaft von Mustern Früher hat man die Mathematik einerseits als Werkzeug für viele Berufsfelder und andererseits als systematisch geordnetes Gebäude mathematischer Theorien unterrichtet und Lehren als Wissensvermittlung verstanden. Heute wird die Mathematik als lebendige „Wissenschaft von Mustern und Strukturen“ gesehen.2 Der Unterricht orientiert sich weniger an der fertigen Mathematik, sondern mehr an den individuellen und sozialen Prozessen, die zu mathematischem Wissen führen. Diese Prozesse verlaufen naturgemäß nicht glatt. Genauso wie mathematische Forscher müssen auch die Lernenden ihren Weg zu Erkenntnissen suchen. Fehler sind dabei unvermeidlich. Aus ihnen in der Diskussion mit anderen Lernenden Lehren zu ziehen, gehört zum Wesen des 1 Stochastik (gr.) ist eine zusammenfassende Bezeichnung für Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik. 2 s. dazu Wittmann, E. Ch. & Müller, G. N. (2004): Muster und Strukturen als Grundkonzept. In: Walther, G. et al.: Bildungsstandards konkret. Berlin: Cornelsen Scriptor 2007, 42 – 65 Lernens. Im ZAHLENBUCH wird diesem aktiven und interaktiven Wissenserwerb konsequent Raum gegeben (s. Kapitel 2). Die betont mathematische Fundierung des Werkes resultiert auch aus der Einsicht, dass die in mathematischen Mustern und Strukturen konzentrierte Denkökonomie die beste Grundlage für Verständnis bietet: Mathematik lernt man nur durch Mathematiktreiben. Muster und Strukturen bieten aber lediglich einen Rahmen. Sie legen die Lernprozesse nicht fest, sondern schaffen Spielräume, die individuell genutzt werden können. Ganzheitlicher Zugang: Lernen als Knüpfen von Wissensnetzen Im Einklang mit der modernen Auffassung von Mathematik wird Lernen heute nicht mehr als Bau einer Mauer nach einem vorgegebenen Plan unter strikter Vermeidung von Lücken verstanden, sondern als fortlaufendes Knüpfen eines Netzes von Wissenselementen und Fertigkeiten. Lücken an einer Stelle sind keineswegs ein Hindernis für den Ausbau eines Netzes an einer anderen Stelle. Sie werden im Laufe des Lernprozesses geschlossen, indem über die Lücken hinweg „Wissensfäden“ gespannt und an den schon festeren Teilen des Netzes verankert werden. Der Natur des Lernens gemäß verlaufen Lernprozesse bei der Auseinandersetzung mit einem Stoffgebiet immer individuell. Die Lernenden kommen am besten voran, wenn sie eigene Wege gehen und ihr Tempo selbst bestimmen dürfen. Nur dann können sie auch ihr Vorwissen optimal einsetzen. Auch die Reihenfolge, in der einzelne „Wissensfäden“ eingeknüpft werden, variiert individuell und darf auch variieren. Durch ein schlüssiges fachliches Konzept sowie durch den sozialen Austausch mit der Lehrperson und mit anderen Lernenden wird dafür gesorgt, dass trotz aller individuellen Unterschiede während des Lernprozesses am Ende gemeinsames Wissen vorhanden ist, über das die verschiedenen Lernenden natürlich in unterschiedlicher Weise verfügen. Die Anleitung zu eigenständigem Lernen bedeutet aber nicht, dass die Lernenden sich selbst überlassen bleiben. Im Gegenteil: Die Lehrperson spielt bei der Orientierung über die Lernaufgaben und deren Strukturierung, bei der Besprechung und Erklärung von Lösungswegen, bei der Vertiefung von Einsichten, der prägnanten Zusammenfassung des Gelernten und der Herstellung von Querbeziehungen eine tragende Rolle. 1. KONZENTRATION DES STOFFES AUF TRAGENDE GRUNDIDEEN Da die Unterrichtszeit begrenzt ist, muss der Stoff auf diejenigen inhaltlichen Grundideen konzentriert werden, die für die Umwelterschließung und für ein Verständnis der Fachstruktur unerlässlich sind. Die in Tabelle 1 aufgelisteten Grundideen der Arithmetik, Geometrie und Stochastik reichen weit über die Volksschule hinaus in die höheren Schulstufen hinein. In ihnen sind „strukturelle“ und „praktische“ Aspekte aufeinander bezogen. Dies entspricht dem Wesen der Mathematik als gleichzeitig „reiner“ und „angewandter“ Wissenschaft: Mathematische Muster und Strukturen sind schön und nützlich. Grundkonzeption des ZAHLENBUCHs Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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