querdenken 4 - Geschichte und politische Bildung, Schulbuch

59 Holocaust Mittäterinnen und Mittäter Verführung zur Mittäterschaft Die NS-Herrschaft beruhte auf Gewalt, Unterdrückung und Terror. Dennoch funktionierte der Nationalsozialismus nicht nur durch Zwang. Mit Hilfe der Propaganda inszenierte man die rassistische und antisemitische NS-Ideologie als verführerisches „Erlebnisangebot“, das für regimetreue Bürgerinnen und Bürger einiges zu bieten habe. Die Gleichschaltung wurde sehr positiv dargestellt: Sie fördere die Gemeinschaft, schaffe Arbeitsplätze und biete interessante Freizeitangebote (KdF). Medien wie Parteizeitungen, Plakate und das Radio (Volksempfänger) wurden zur Mobilisierung der Bevölkerung im nationalsozialistischen Sinn genutzt. Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, geleitet von Joseph Goebbels, überwachte Rundfunk, Presse, Film, Theater und die „Volkserziehung“ im Allgemeinen. Die NS-Propaganda versuchte bis zur militärischen Niederlage im Mai 1945 den Glauben zu erwecken, dass der Nationalsozialismus eine beispiellose Erfolgsgeschichte sei. Viele Menschen nahmen diese Propaganda als Wahrheit an und sahen die Gräueltaten der NS-Diktatur nicht bzw. wollten diese nicht wahrhaben. Ihre Sichtweise (Perspektive) war stark von der nationalsozialistischen Weltanschauung beeinflusst. Sie wurden dadurch zu Mitläuferinnen und Mitläufern. Denunziantinnen und Denunzianten zeigten regimekritische Mitbürgerinnen und Mitbürger skrupellos bei der Gestapo an. Neben der politischen Überzeugung spielten dafür oftmals auch persönliche Gründe, wie z. B. Neid oder Besitzgier, eine Rolle. Die Konsequenzen für denunzierte Menschen waren vielfach Verhaftung, Gefängnis oder gar Konzentrationslagerhaft. – Die bekannte österreichische Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger erinnert sich: › Der Volksempfänger war ein einfaches und kostengünstiges Radio, das zur Vermittlung des NS-Gedankengutes wesentlich beitrug. KdF-Plakat, nach 1933 O Faschismus, S. 30 Propagandaplakat für den Volksempfänger, 1936 P Kraft durch Freude (KdF): nationalsozialistische politische Organisation mit dem Ziel, die Freizeit der deutschen Bevölkerung gleichgeschaltet zu gestalten und zu überwachen A10 • Gib die Bedeutung der Aussage Christine Nöstlingers in eigenen Worten wieder. • Erkläre anhand der Informationen und des Basiskonzeptes, warum Menschen im Dritten Reich den Nationalsozialismus unter anderen Blickwinkeln betrachtet haben könnten als Menschen heute. (AW, HSK) M7 Das Wort Mauthausen kannte ich zwar nicht, den Ausdruck KZ aber sehr wohl. Unzählige Male hörte ich ihn, wenn meine Großmutter bei der Milchfrau oder beim Greißler auf die Nazis schimpfte. Dann hieß es, warnend geflüstert, entweder ‚Redens Ihnen nicht um Ihren Kopf!‘ oder ‚Sie reden Ihnen noch ins KZ rein.‘ Nöstlinger, Gedenkfeier zur Befreiung Mauthausens, 2015 BASISKONZEPT – PERSPEKTIVE Historisches und politisches Geschehen wird immer von bestimmten Standpunkten und Blickwinkeln aus betrachtet. Diese Perspektiven sind beispielsweise durch Herkunft, Religion sowie durch politische oder gesellschaftliche Hintergründe beeinflusst. Um nicht ein verfälschtes Bild historischer oder politischer Entwicklungen zu erhalten, ist es demnach wichtig, unterschiedliche Ansichten und Perspektiven zu erkennen und zu berücksichtigen. Außerdem muss man bedenken, dass Darstellungen der Vergangenheit immer aus der jeweiligen Zeit, also rückblickend, erfolgen. Ein Thema unter verschiedenen Gesichtspunkten zu behandeln, hilft einseitige oder verzerrende Darstellungen zu vermeiden. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=