37 Faschismus Novemberpogrom und NS-Terror Ein vorläufiger grausamer Höhepunkt des NS-Terrors gegen die jüdische Bevölkerung wurde im November 1938 erreicht. Nachdem ein jüdischer Student einen Angestellten der deutschen Botschaft in Paris erschossen hatte, ordnete Reichspropagandaminister Goebbels für den 9. November ein Pogrom an. Organisierte SA-Truppen plünderten und zerstörten tausende jüdische Geschäfte und Wohnhäuser und brannten in ganz NS-Deutschland rund 1.400 Synagogen und Bethäuser nieder. Tausende Jüdinnen und Juden wurden misshandelt, verletzt oder getötet; die Polizei griff nicht ein. Am Tag nach der „Reichskristallnacht“ wurden in Deutschland mehr als 30.000 jüdische Männer verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus Österreich Nach dem Novemberpogrom wurde die jüdische Bevölkerung durch zunehmende Entrechtung, Enteignungen und „Zwangsarisierungen“ sowie einer weiteren gesellschaftlichen Isolierung zur „Auswanderung“ gezwungen. Doch nur sehr wenige Länder waren überhaupt dazu bereit, jüdische Flüchtlinge aus NS-Deutschland aufzunehmen. Es bestanden daher enorme Schwierigkeiten, lebensrettende Einreisevisa zu erhalten; viele Familien wurden auf der Flucht auseinandergerissen. Rund 130.000 Jüdinnen und Juden (rund zwei Drittel der jüdischen Bevölkerung) konnten Österreich noch rechtzeitig verlassen, bevor im Herbst 1941 eine Auswanderung vom NS-Regime verboten wurde und die Deportationen begannen. Zufluchtsländer österreichischer NS-Flüchtlinge Anzahl Prozent Europa v. a. Großbritannien (31.050), Schweiz (5.800), Frankreich (4.850), Belgien (4.670), Ungarn (4.400), Tschechoslowakei (4.100), Italien (3.870) 69.390 53,1 % Nordamerika v. a. USA (29.860) 29.942 22,9 % Naher Osten und Asien v. a. Palästina/Israel (15.200), China/Schanghai (6.220), Indien (250) 22.390 17,1 % Lateinamerika v. a. Argentinien (1.690), Bolivien (940), Uruguay (560), Kuba (532), Kolumbien (530), Mexiko (313) 6.845 5,2 % Australien und Neuseeland 1.050 0,8 % Afrika v. a. Südafrika (332), Tunesien (150), Uganda (120), Marokko (100) Datenquelle: Moser, Demographie der jüdischen Bevölkerung 1.125 0,9 % P SA (Sturmabteilung): Ordnertruppe der NSDAP, paramilitärische Kampforganisation › Die NS-Machthaber bezeichneten die Nacht, in der gezielt Terror gegen die jüdische Bevölkerung ausgeübt wurde, zynisch als „Reichskristallnacht“, da durch die Gewalttaten viel Glas zu Bruch gegangen war. Heute wird für dieses Ereignis der Begriff „Reichspogromnacht“ verwendet. › Allein in Wien gab es rund 6.500 Verhaftungen, etwa 4.000 jüdische Männer wurden in das KZ Dachau eingeliefert. Die Grazer Synagoge heute; erbaut 1998–2000 auf Resten der zerstörten Synagoge, Foto, 2008 › Ab Mai 1939 durften Jüdinnen und Juden nur noch getrennt von der übrigen Bevölkerung in zugewiesenen Häusern und Wohnungen leben. Lebensmittel durften sie nur noch in bestimmten Geschäften kaufen, es gab Ausgehverbote, die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sowie der Besitz von Radios war untersagt. 355w3v A Letter To The Stars Am 9.11.1938 zerstörtes und geplündertes jüdisches Geschäft, Foto (Berlin, Deutschland) A10 • Nenne jene Teile der Welt, in denen die meisten Flüchtlinge Aufnahme fanden. • Recherchiere mithilfe des Internetlinks (Randspalte) die Lebensgeschichte eines aus Österreich vertriebenen Menschen. • Gestalte eine eigene historische Erzählung auf Basis deiner aus dieser Lebensgeschichte gewonnenen Erkenntnisse. (HMK) M13 T2 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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