36 Faschismus Verfolgung, Beraubung, Ausgrenzung Im Mittelpunkt der nationalsozialistischen Weltanschauung standen rassistisches Denken und Antisemitismus. Es wurde behauptet, dass es verschiedene menschliche „Rassen“ gebe und die „Arier“, denen die Deutschen zugerechnet wurden, die „edelste Rasse“ wären. Laut der NS-Rassenlehre galten sie als „Herrenrasse“, die dafür bestimmt sei, über andere, als minderwertig betrachtete „Rassen“ zu herrschen. Als besonders minderwertig angesehen wurden Jüdinnen und Juden. Sie waren Feindbilder, denen man die Schuld an der Not während der Zwischenkriegszeit unterstellte. Die NS-Propaganda sprach von ihnen als „Artfremde“ und „Volksschädlinge“. Die menschenverachtende Denkweise kam in den sogenannten „Nürnberger Gesetzen“ (1935) zum Ausdruck. Sie waren die rechtliche Grundlage für die planmäßige Verfolgung, Ausgrenzung, Entrechtung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung. Entrechtung und Beraubung der jüdischen Bevölkerung Österreichs In Österreich waren rund 200.000 Menschen von den „Nürnberger Gesetzen“ betroffen (ca. 3 % der Bevölkerung). Als jüdisch galt demnach, wer von drei jüdischen Großeltern abstammte, unabhängig vom religiösen Bekenntnis. In den Tagen um den „Anschluss“ kam es in Wien zu unkontrollierten und gewaltsamen Ausschreitungen (Plünderungen, tätlichen Angriffen etc.) gegen Jüdinnen und Juden (Pogrome). In sogenannten „Reibpartien“ wurden sie dazu gezwungen, die auf Gehsteige und Straßen geschriebenen Parolen für den Erhalt von Österreichs Eigenständigkeit mit Zahnbürsten und kleinen Besen wegzureiben. Mehr und mehr wurde die jüdische Bevölkerung aus dem öffentlichen und wirtschaftlichen Leben verdrängt, z. B. durften Beamtinnen und Beamte, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Ärztinnen und Ärzte oder Wissenschafterinnen und Wissenschafter ihre Berufe nicht mehr ausüben. Ihre Pässe wurden mit einem roten „J“ gekennzeichnet, ein zweiter Vorname (Sarah oder Israel) musste eingetragen werden. Bald durften sie auch keine Parks, Schwimmbäder, Kinos oder Theater mehr besuchen. Jüdische Geschäfte, Betriebe und Wohnungen wurden registriert und später ihren Besitzerinnen und Besitzern weggenommen („Arisierung“). Sie wurden an Nichtjüdinnen und -juden weitergegeben oder weit unter dem tatsächlichen Wert zwangsverkauft. P „Arier“: (altindisch „der Edle“), ursprünglich Bezeichnung für Menschen aus dem Gebiet des heutigen Irans im Nordwesten Indiens; unter dem NS-Regime im Sinne von „deutschblütig“ und als Gegensatz zu „jüdisch“ verwendet P „Nürnberger Gesetze“: bestimmten u. a., dass Jüdinnen und Juden keine deutschen Staatsbürger mehr sein konnten. Eheschließungen zwischen arischen und jüdischen Personen wurden verboten, bestehende Ehen für ungültig erklärt. Das Verbot galt auch für den außerehelichen Geschlechtsverkehr. Öffentliche Demütigung einer nichtjüdischen Frau und eines jüdischen Mannes. Die Aufschriften auf den Schildern lauten: „Ich bin am Ort das größte Schwein und lass mich nur mir Juden ein“ und „Ich nehm als Judenjunge immer nur deutsche Mädchen mit aufs Zimmer“, Foto, 1933, Cuxhaven (Deutschland) › Neben Jüdinnen und Juden wurden auch Angehörige anderer Minderheiten wie z.B. Romnija und Roma, aber auch Homosexuelle, Menschen mit Behinderungen oder laut NS-Ideologie unangepasst lebende Randgruppen (sog. „Asoziale“) verfolgt und entrechtet und in weiterer Folge vielfach ermordet. O Holocaust, S. 51 ff. Es war das Gefühl, dass [ich] vollständig ohne Recht [bin], dass jeder mit [mir] etwas machen kann. Das ist etwas, das man nicht beschreiben kann. Man hat das ganze Leben als ordentlicher Mensch verbracht, mit Werten, mit idealen Werten und auf einmal ist jeder Mensch dein Feind. Edmund Engelmann über seine Empfindungen bei der „Arisierung“ seines Fotogeschäftes 1938 in Wien, Interview 1996 A9 • Beschreibe anhand der Textquelle die radikale Veränderung, mit der sich der „Anschluss“ auf eine jüdische Person ausgewirkt hat. • Erkläre anhand der Informationen auf dieser Seite den Begriff der „Entrechtung“ von Jüdinnen und Juden durch die nationalsozialistische Politik. (HMK) M1 M7 „Reibpartie“ in Wien, Foto, 1938 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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