Vielfach Deutsch 1, Leseheft

Lies einen weiteren Textausschnitt aus dem Roman Der unvergessene Mantel. Markiere alle Textpassagen, die Dschingis’ Wohnort beschreiben, farbig. Verwende eine andere Farbe, um zu markieren, wie sich Julie die Wohnung vorgestellt hat. Mum brauchte zwei Anrufe, um herauszukriegen, was ich seit Wochen unbedingt hatte wissen wollen: Wo wohnen Dschingis und Nergui? Wie sich herausstellte, oben im zehnten Stock von Roberts Tower, dem Hochhaus gleich neben der Überführung. „Und wir fahren jetzt sofort dahin“, sagte sie. Sie stopfte den Mantel in eine große Plastiktüte und fuhr mich zum Hochhaus. Doch als wir dort ankamen, schien sie nicht sonderlich begeistert von dem, was sie sah: Mitten auf dem Parkplatz erhob sich ein Berg aus Bauschutt wie ein Aussichtsturm, und obendrauf hockten zwei Kinder. Der Aufzug roch übel, aber er funktionierte. Während er sich scheppernd bis zum zehnten Stock hocharbeitete, holte ich den Mantel aus der Tüte und zog ihn an. Ich näherte mich der Wohnungstür und dachte: Wenn die Mutter mich in dem Mantel sieht, bittet sie mich rein. „Komm doch herein und mach’s dir in den Seidenkissen bequem, der Samowar blubbert schon“, wird sie sagen. Ich drückte auf die Klingel. Ich hörte, wie es irgendwo in der Wohnung klingelte. Ein paar Stimmen. Eine Tür, die sich öffnete. Oder vielleicht schloss. Dann wurde alles still. Ich wartete. – Nichts. Vielleicht Geflüster. Ich wusste, dass es unhöflich war, zweimal zu klingeln, aber ich würde nicht wieder gehen. Wochenlang hatte ich nach dieser Wohnung gesucht. Wochenlang hatte ich mich dorthin gesehnt. Ich klingelte noch mal. Stille. Eine gespannte Stille, wie wenn man den Atem anhält. Noch mal. Nichts. „Pscht. Horch mal.“ Wir hörten gedämpfte Stimmen, die sich stritten, und das Rauschen eines Wasserhahns. „Vielleicht ist ja die Klingel kaputt“, sagte ich und hämmerte an die Tür. Die Stimmen verstummten. Der Wasserhahn ebenfalls. Ich hämmerte noch mal. Mum packte mich an der Hand. „Hör auf damit“, zischte sie. „Das tut man nicht.“ Aber nun waren im Flur Schritte zu hören und jemand zog die Tür auf. Eine Frau … Sie trug nicht den traditionell mongolischen Kopfschmuck, mit Edelsteinen besetzt. Sie war nicht in Seide gehüllt. Sie freute sich nicht, mich zu sehen. Anfangs sah sie mich überhaupt nicht. Sie schaute Mum an. „Ich bin Julies Mutter“, sagte Mum. „Sie ist mit ihrem Sohn Dschingis befreundet. Das hier ist sein Mantel.“ Die Frau antwortete nicht. Sie starrte Mum bloß an und dann mich. Als würde sie versuchen ein Rätsel zu lösen. Mir war klar, dass sie uns nicht hereinbitten würde. 13 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 der Samowar: Wasserkessel zur Teezubereitung 46 Jugendliteratur lesen und verstehen 4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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