Fantasievoll erzählen – Sich verzaubern lassen Lewis Carroll: Durch den Spiegel und was Alice dort fand Das Mädchen Alice gerät in eine Wunderwelt jenseits unserer Erfahrungswelt. In der Fortsetzung zu „Alice im Wunderland“ steigt sie durch einen Spiegel in die Spiegelwelt und trifft dort auf fantastische Figuren, die uns zum Lachen und zum Weinen bringen. Der Autor Lewis Carroll schuf damit ein Meisterwerk absurden1 surrealistischen Erzählens2. 1) absurd = scheinbar nicht zusammenpassend oder unsinnig 2) surrealistisches Erzählen = Erzählen von Unbewusstem, Phantastischem, Unwirklichem, möglichen Trauminhalten Und das Glas fing tatsächlich an, dahin zu schmelzen wie ein heller silbriger Dunst. Im nächsten Augenblick war Alice durch und leichtfüßig in den Spiegelsalon hinab gesprungen. Zu allererst blickte sie zur Feuerstelle hin, um zu sehen, ob ein Feuer an war, und sie war froh zu sehen, dass da ein richtiges Feuer brannte, hell lodernd wie das, welches sie hinter sich gelassen hatte. „Ich werde es hier also genau so warm haben, wie ich es in dem alten Raum hatte“, dachte Alice, „wärmer sogar, weil es hier niemanden gibt, der mich vom Feuer wegdrängen könnte. Oh, was für ein Spaß, wenn sie mich hier durch den Spiegel sehen und nicht zu mir her kommen können!“ „Dieser Raum wird nicht so schön aufgeräumt wie der drüben“, dachte Alice bei sich, als sie einige der Schachfiguren an der Feuerstelle entdeckte: inmitten der ausgebrannten Kohlenstücke; aber im nächsten Augenblick, mit einem kleinen überraschten „Oh!“ ließ sie sich auf Hände und Knie hinab und beobachtete sie. Die Schachfiguren gingen umher, immer zwei und zwei! „Hier sind der Schwarze König und die Schwarze Königin“, sprach Alice (im Flüsterton, aus Furcht, sie zu erschrecken), „und da sitzen der Weiße König und die Weiße Königin auf dem Rand der Schaufel […].“ Da fing etwas an zu quäken auf dem Tisch hinter Alice und veranlasste sie, den Kopf herum zu drehen, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie einer der Weißen Bauern vornüber fiel und zu strampeln anfing. […] „Da weint mein Kind!“ schrie die Weiße Königin auf und rauschte so ungestüm hinter dem König davon, dass sie ihn dabei umrannte und zwischen die Kohlenstücke warf. „Meine teure Lili! Mein königliches Kätzchen!“, und sie begann wie wild, am Kamingitter hoch zu klettern. „Königlicher Fiddelkram!“, sprach der König und rieb seine Nase, die bei dem Sturz verletzt worden war. Er hatte Grund, ein wenig ungehalten zu sein über die Königin, denn er war von Kopf bis Fuß voller Asche. Alice war sehr bemüht, sich nützlich zu machen, und da die arme kleine Lilli offenbar dabei war, sich in einen Schreikrampf hineinzusteigern, ergriff sie kurzerhand die Königin und setzte sie neben ihr lärmendes Töchterchen auf den Tisch ab. Die Königin schnappte nach Luft und setzte sich: Die schnelle Luftreise hatte ihr gänzlich den Atem benommen, und ein, zwei Minuten lang konnte sie nichts weiter tun, als die kleine Lili stumm in den Arm zu nehmen und an sich zu drücken. Sobald sie wieder etwas Luft bekam, rief sie dem Weißen König zu, der verdrossen 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 32 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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