Treffpunkt Deutsch 1 - Deutsch Sprachlehre, Leseheft

Märchen und Sagen Der Fluch der Nixe vom Neusiedler See In alten Zeiten, als noch das muntere Völklein der Nixen und Wasserfeen in den spiegelnden Fluten des Neusiedler Sees sein Spiel trieb und sich hie und da unvermutet auch den Augen der Menschen zeigte, wohnte am Ufer des Sees ein alter geiziger Fischer. Täglich legte er seine Netze im See aus und kehrte am Abend, mit reicher Beute beladen, in seine Hütte zurück. Der Verkauf der Fische brachte ihm stets guten Gewinn, und so war er mit der Zeit ein wohlhabender Mann geworden. Aber er war unersättlich in seiner Gier nach Gewinn. Als nun der Fischreichtum des Sees allmählich nachließ, schob er die Schuld auf die Wasserfeen, die durch ihr Spiel die Fische verjagt hätten, und beschimpfte sie mit bösen Worten. Eines Tages hatte er wieder sein Boot bestiegen und war das Seeufer entlanggefahren. Da bemerkte er in einer Bucht ein anmutiges Wesen, das sich vergebens bemühte, von der Stelle zu kommen. Als er näher heranruderte, erkannte er, dass es eine Wassernixe war. Sie hatte sich in einem seiner Netze verstrickt und bei ihren Anstrengungen, sich zu befreien, mehrere Löcher hineingerissen. „Hilf mir aus dem Netz!“, bat sie flehentlich. „Sieben Tage und sieben Nächte bin ich schon gefangen, und ich komme nicht los. Meine Kinder weinen nach mir.“ Aber der Fischer hatte taube Ohren für ihre Bitte. Wütend, dass ihm die Fee die Fische verjagt und das Netz zerrissen hätte, stieß er mit seiner Gabel das Seeweib nieder, das ihm mit letzter Kraft noch zurief: „Sei verflucht für deine ruchlose Tat! Nie sollst du die Deinen wiedersehen!“ Dann versank sie sterbend im See. Höhnisch lachte der Fischer. Da erbebte der Seegrund, finstere Nacht brach herein. Heulend fuhr ein rasender Sturmwind in die glatte Fläche des Sees und rührte gewaltige Wogen auf. Die Windsbraut riss Fischer und Kahn1 in den offenen See hinaus, wo sich die tobenden Wellen über dem grausamen Mann schlossen, um ihn nie wieder herauszugeben. Wenn an stillen Abenden dünne Nebelschleier das flüsternde Röhricht des Sees bedecken, hört man wohl ferne ein leises Plätschern und Knirschen im See. Es ist der verdammte Fischer, der sein Boot mit müder Hand dem Ufer zusteuert. Doch umsonst ist sein Bemühen, der Kahn weicht nicht von der Stelle, und es gelingt ihm nie, den rettenden Strand zu erreichen. Quelle: Heinz Rölleke: Das große deutsche Sagenbuch. Düsseldorf: Patmos Verlag, 2001 1) Kahn: kleines Boot 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 Finde Informationen und Bilder zu den Orten der Sagen: Karersee, Neusiedler See. Suche im Österreichischen Wörterbuch die Bedeutungen jener Wörter, die du nicht verstehst und notiere sie in deinem Heft. Bildet vier Gruppen in der Klasse. Je zwei Gruppen entscheiden sich für eine der oben präsentierten Sagen. Nun erarbeitet in der Gruppe ein Plakat (mit Bildern, Zeichnungen, Landkarten usw.), das den Ort der Sagenhandlung sehr anschaulich darstellt. Präsentiert eure Ergebnisse und vergleicht sie. Überprüfe die Texte im Einzelnen und schreibe in Stichworten auf: Welche Teile der Sagen könnten einen wahren Hintergrund haben, was könnte erfunden sein? Besprecht anschließend die Ergebnisse in der Klasse. Besprecht nun in der Klasse die Kennzeichen des Märchens im Vergleich zur Sage. Erstellt eine Tabelle mit den Ergebnissen auf einem Plakat, das ihr in der Klasse aufhängen könnt. 1 N 2 C 3 N 4 C 35 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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