Treffpunkt Deutsch 1 - Deutsch Sprachlehre, Leseheft

Märchen und Sagen So ging das wohl acht oder vierzehn Tage, da sagte die Frau: „Hör, Mann, die Hütte ist auch gar zu eng, und der Hof und der Garten sind so klein. Geh hin zum Butt, er soll uns ein Schloss schenken!“ „Ach, Frau“, sagte der Mann, „was sollen wir in einem Schloss wohnen? Der Butt hat uns erst die Hütte gegeben.“ „Geh doch!“, sagte die Frau. Dem Mann war das Herz so schwer. Er sagte bei sich selbst: Das ist nicht recht, er ging aber doch hin. Als er an die See kam, war das Wasser ganz violett und dunkelblau und grau und dick und gar nicht mehr so grün und gelb. Da stellte er sich hin und rief: „Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, myne Fru, de Ilsebill, will nich so, as ik wol will.“ „Na, was will sie denn?“, sagte der Butt. „Ach“, sagte der Mann halb bekümmert, „sie will in einem Schlosse wohnen.“ „Geh nur hin, sie steht schon vor der Tür“, sagte der Butt. Da ging der Mann fort und dachte, er wollte nach Hause gehen, aber als er da ankam, stand da nun ein großer, steinerner Palast, und seine Frau stand eben auf der Treppe und wollte hineingehen. Da nahm sie ihn bei der Hand und sagte: „Komm nur herein!“ In dem Schlosse waren so viele Bediente, und in den Zimmern waren lauter goldene Stühle und Tische und kristallene Kronleuchter. Und hinter dem Hause war ein großer, prächtiger Garten mit den schönsten Blumen und feinen Obstbäumen. „Na“, sagte die Frau, „ist das nun nicht schön?“ „Ach ja“, sagte der Mann, „so soll es auch bleiben, nun wollen wir zufrieden sein.“ Am andern Morgen wachte die Frau auf, und sie sah aus ihrem Bette das herrliche Land vor sich liegen. Der Mann reckte sich noch, da stieß sie ihn mit dem Ellenbogen in die Seite und sagte: „Mann, könnten wir nicht König werden über all das Land? Geh hin zum Butt, wir wollen König sein!“ „Ach, Frau“, sagte der Mann, „ich mag nicht König sein!“ „Na“, sagte die Frau, „willst du nicht König sein, so will ich Königin sein. „Ach, Frau“, sagte der Mann, „was willst du Königin sein? Das mag ich ihm nicht sagen.“ „Warum nicht?“, sagte die Frau. „Geh stracks hin, ich muss Königin sein.“ Da ging der Mann hin und war ganz bekümmert, dass seine Frau Königin werden wollte. Das ist nicht recht, dachte der Mann. Und als er an die See kam, da war die See ganz schwarzgrau, und das Wasser gärte so von unten herauf und roch ganz faul. Da stellte er sich hin und rief: „Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, myne Fru, de Ilsebill, will nich so, as ik wol will.“ „Na, was will sie denn?“, sagte der Butt. „Ach“, sagte der Mann, „sie will Königin werden.“ „Geh nur hin, sie ist es schon“, sagte der Butt. Da ging der Mann hin, und als er zum Palast kam, war alles von purem Marmor mit Gold. Da gingen die Türen vom Saal auf, in dem der ganze Hofstaat war, und seine Frau saß auf einem hohen Thron von Gold und Diamant und hatte eine große goldene Krone auf. Da stellte er sich hin und sagte: „Ach, Frau, bist du nun Königin?“ „Ja“, sagte die Frau, „nun bin ich Königin.“ Da stand er da und sah sie an, und als er sie so eine Zeitlang angesehen hatte, da sagte er: „Ach, Frau, was steht dir das schön, wenn du Königin bist! Nun wollen wir auch nichts mehr wünschen.“ „Nein, Mann“, sagte die Frau und war ganz unruhig, „mir wird schon die Zeit lang. Geh hin zum Butt, Königin bin ich, ich will Kaiserin sein.“ „Ach, Frau“, sagte der Mann, „ich mag dem Butt das nicht sagen.“ „Was“, sagte die Frau, „ich bin Königin, und du bist bloß mein Mann! Sofort gehst du hin!“ Da musste er hingehen. Als der Mann aber hinging, da dachte er bei sich: Das geht und geht nicht gut. Und da kam er nun an die See, da war die See ganz schwarz und dick und fing schon an so von unten herauf zu gären, dass es Blasen gab, und da ging ein Windstoß darüber hin, dass es nur so schäumte, und dem Manne graute. Da stellte er sich hin und rief: 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 122 124 126 128 130 132 134 136 138 140 142 144 146 148 31 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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