Lies den folgenden Anfang aus dem Jugendbuch „Ich bin Vincent und ich habe keine Angst“. Unterstreiche jene Stellen, an denen du erfährst, wer die Geschichte erzählt. Enne Koens: Ich bin Vincent und ich habe keine Angst 1 Reise in die Welt der Literatur – Geschichten und ihre Erzähler untersuchen Es ist dunkel. So dunkel, dass ich mich selbst nicht mal sehen kann. Ich bin irgendwo mitten im Wald. Ich sitze auf dem Boden und unter mir spüre ich kalte Steinchen. Der Wald ist voller Geräusche. Ganz in der Nähe höre ich Wasser strömen. Geraschel. Knackende Zweige. Den Wind, der von ganz weit her über die Baumkronen herangerollt kommt. Näher und immer näher. Lauter und lauter, und dann stürmt er über mich hinweg, wie eine Welle, die sich in der Brandung überschlägt. Kurz darauf ein Schrei, vielleicht von einem Vogel oder einem Fuchs. Mit gespitzten Ohren lausche ich allen Geräuschen. Ich warte angespannt, jederzeit bereit, wieder aufzuspringen und weiterzurennen. Obwohl ich keine Ahnung habe, wohin. Ich schnappe nach Luft, als wäre ich zu lange unter Wasser geblieben, und ich glaube, irgendwo tut mir was weh. Ich spähe zu allen Seiten, dabei weiß ich ja, dass es sinnlos ist. Wenn hier Menschen in der Nähe sind, sehen sie hoffentlich genauso wenig wie ich. Aus der Ferne höre ich den Wind wieder tief Luft holen und eine Weile später bläst er über mich hinweg. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 Auf meiner Flucht hierher bin ich über Äste gestolpert und in Kuhlen gefallen. Meine Sachen sind durchnässt von dem Laub und den Farnblättern, die gegen mich schlugen, meine Hände sind völlig zerschrammt. Ich bin allein, und wenn ich ehrlich bin: Ich habe Angst. Also rede ich mit mir selbst. Ich flüstere im Dunkeln: „Ich bin Vincent. Ich bin elf Jahre alt. Ich habe einen Vater und eine Mutter. Ich wohne in Rotterdam. Ich bin Vincent. Elf Jahre. Ich gehe in die fünfte Klasse.“ Ich rede weiter mit mir selbst, weil es hilft. Es ist gut, eine Stimme zu hören, und wenn es nur die eigene ist. Einen Moment lang fühle ich mich weniger allein. Suchen sie mich? Sind sie in der Nähe? Wieder fange ich an, vor mich hin zu flüstern. „Ich bin Vincent. Ich bin elf Jahre alt und ich habe ein Buch übers Überleben in der Natur gelesen. Ich bin Vincent. Mein Lieblingstier ist das Eichhörnchen. Ich bin elf Jahre alt. In meinem Zimmer hängt ein Spiderman-Poster. Ich bin Vincent und ich habe keine Angst, habe keine Angst, habe keine Angst.“ Quelle: Enne Koens: Ich bin Vincent und ich habe keine Angst. Gerstenberg Verlag, 2019 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 Diskutiert zu zweit die folgenden Fragen: Wieso wirkt diese Geschichte (z.B. im Vergleich zu Märchen) realistisch (als wäre es wirklich passiert)? Was macht den Text besonders spannend? Was hilft euch dabei, euch in den Erzähler hineinzuversetzen? Beantworte folgende Fragen zum Text: • Wer ist die Autorin bzw. der Autor? • Wer erzählt die Geschichte? • Handelt es sich um einen Ich- oder um einen Er-/Sie-Erzähler? • Könnte sich die Geschichte tatsächlich so ereignet haben? Begründe deine Meinung. • Was passiert? (Fasse den Inhalt in zwei Sätzen zusammen.) 2 B 3 N 138 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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