Aufgaben 97 Evolution des Menschen Im Osten Afrikas setzte sich der Trend zu immer größeren Gehirnen fort. Dort entstand der moderne Mensch, Homo sapiens1, mit einer durchschnittlichen Gehirngröße von 1 300–1 400 cm3. Der Homo neanderthalensis oder Neandertaler, der mit dem modernen Menschen eng verwandt ist, erreichte jedoch ein noch größeres Gehirnvolumen von 1 500 cm3. Erste Knochen der Neandertaler wurden bereits 1856 im Tal der Neander bei Düsseldorf gefunden – daher stammt ihr Name. Die ältesten Neandertaler-Fossilienfunde sind 130 000 Jahre alt. Es gibt allerdings einzelne Funde, die sogar 400 000–600 000 Jahre alt sind und den Neandertalern zugeschrieben werden. Die Neandertaler kamen ausschließlich in Europa und Westasien vor. Sie waren robuster gebaut als der moderne Mensch und fertigten verschiedenste Waffen an, kummerten sich um Kranke und Verletzte und bestatteten ihre Toten mit Grabbeigaben. Sie starben vor etwa 40 000 Jahren aus. Welche Ursache die Zunahme der Gehirngröße bei Homo hatte, ist nach wie vor ungeklärt. Manche Wissenschafterinnen und Wissenschafter sehen die Ursache in der verbesserten Zufuhr von Proteinen mit der Nahrung durch Fisch, Fleisch oder gekochte Wurzeln. Möglicherweise spielte das Kochen der Nahrung eine wichtige Rolle, da dadurch die Energie, die in der Nahrung steckt, besser erschlossen wird. Andere denken, dass es von Vorteil war, ein leistungsfähiges Gehirn zu haben, da dies ein besseres soziales Zusammenleben in der Gruppe sowie eine bessere Kommunikation innerhalb der Gruppe ermöglichte. 1 Homo sapiens: sapere (lat.) = Verstand haben; „weiser Mensch“ Warum das Gehirn des modernen Menschen so groß wurde wie es heute ist, ist nach wie vor ungeklärt Stoff- und Energieumwandlung Alle menschlichen Populationen, die heute existieren, essen auch gekochtes Essen. Durch das Kochen wird ein größerer Anteil der enthaltenen Energie zugänglich gemacht werden. Die Wurzeln des modernen Menschen, Homo sapiens, liegen in Ostafrika Homo sapiens breitet sich über die Erde aus Molekulargenetische und archäologische Untersuchungen zeigen, dass der moderne Mensch (Homo sapiens) von einer eher kleinen Gruppe von Vorfahren abstammt, die vor rund 300 000 Jahren in Nord- und Ostafrika lebten. Anschließend breitet sich Homo sapiens rasch über ganz Afrika aus. Es wird vermutet, dass seine Ausbreitung begann, weil Klimaveränderungen, vor allem Dürren, ihn dazu drängten oder weil die Bevölkerungszahl wuchs, sodass er neuen Lebensraum suchte. Von Afrika ausgehend breitete er sich weiter, ähnlich wie zuvor Homo erectus, in mehreren Wellen über die Erde aus (k S. 98, Abb. 10). Wo er hinkam, hinterließ er Spuren. Dazu gehören neben feiner bearbeiteten Stein- und später Bronzewerkzeugen auch Höhlenmalereien, Felsritzungen, Schnitzereien und natürlich menschliche Knochen. Die ältesten europäischen Funde von Homo sapiens stammen aus Griechenland und wurden 2019 entdeckt. Diese Funde dokumentieren, dass Homo sapiens bereits vor 210 000 Jahren in Europa lebte. Die damalige Besiedlung scheint aber nicht von Dauer gewesen zu sein. Genetische Daten weisen darauf hin, dass nahezu alle heute lebenden Menschen in Europa und Asien von einer Population abstammen, die diese Kontinente viel später, vor etwa 50 000–70 000 Jahren, besiedelte. Als diese erneute Migrationswelle Europa erreichte, war hier allerdings bereits der Neandertaler, ein Nachfahre des Homo erectus, verbreitet. Der moderne Mensch verdrängte die Neandertaler innerhalb von weniger als 10 000 Jahren – allerdings nicht, ohne sich vorher in Vorderasien und Europa mit ihnen zu verpaaren. Der Vergleich von Neandertaler-DNA aus fossilen Knochen und Zähnen mit der DNA heutiger Europäer und Asiaten, den Forscherinnen und Forscher 2010 angestellt haben, belegt, dass Homo sapiens sich mit Homo neanderthalensis fortgepflanzt hat. Jede und jeder von uns Europäerinnen und Europäern trägt daher 2 % Neandertalergene in sich. Bis zu diesem interessanten Ergebnis war man davon ausgegangen, dass Homo sapiens und Homo neanderthalensis zwei klar abgegrenzte Arten darstellen. Tatsächlich ist aber die Artabgrenzung bei frühen Menschenarten nicht immer so eindeutig. Demzufolge werden der moderne Mensch und der Neandertaler nun eher als Unterarten einer gemeinsamen Art betrachtet. Homo sapiens zeugte mit dem Neandertaler Nachkommen Abb.9: Nachbildung eines Neandertalers im Neanderthal Museum in Mettmann, Deutschland. 1 W Wiederhole die unterschiedlichen Artkonzepte im Kapitel Evolutionsbiologie. Argumentiere, warum man den Neandertaler und den modernen Menschen als zwei Arten betrachtete, warum manche Forscherinnen und Forscher aber nunmehr der Meinung sind, dass sie zur selben Art gezählt werden sollten, während andere der Meinung sind, dass es sich nach wie vor um zwei Arten handelt. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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