am Puls 8, Schulbuch

Aufgaben 75 Evolutionsbiologie Das Entstehen von Darwins Evolutionstheorie Bis ins 19. Jahrhundert dachte man, dass ein göttlicher Akt der Schöpfung die biologische Vielfalt geschaffen hätte und dass die Arten konstant wären, sich also nicht verändern. Im Jahr 1766 äußerte George Buffon1 die Vermutung, dass Fossilien Vorgänger von lebenden Tieren sind und stellte die Konstanz der Arten in Frage. Er zweifelte auch an der damals gängigen Annahme, die Erde sei nur ca. 6 000 Jahre alt. Georges Cuvier2 verglich um 1 800 die Baupläne der Tiere miteinander und kam so zu der Erkenntnis, dass es mehrere unterschiedliche Baupläne gibt und dass Arten auch aussterben können. Er maß Massenaussterben durch Naturkatastrophen große Bedeutung zu, war jedoch von der Konstanz der Arten überzeugt. Jean-Baptiste Lamarck3 formulierte Anfang des 19. Jahrhunderts eine erste Theorie des Artenwandels: Tiere würden sich verändern, je nachdem wie sie ihre Körper benutzten. Viel genutzte Strukturen würden sich vergrößern, wenig genutzte verkümmern. Laut Lamarck erwerben die Nachkommen diese Änderungen von ihren Eltern. So erfolge über Generationen hinweg eine Anpassung an die Umwelt. Weil diese Vorstellung aber nicht mit den später bekannten Vererbungsmechanismen in Einklang zu bringen war, wurde der Lamarckismus zu großen Teilen wieder verworfen. Heute kennt die Genetik allerdings tatsächlich mehrere Mechanismen, wie erworbene Merkmale von Eltern über mehrere Generationen an ihre Nachkommen weitergegeben werden können – mit diesen Mechanismen beschäftigt sich die Epigenetik (siehe S. 31). Als junger Mann unternahm der britische Naturforscher Charles R. Darwin4 eine ausgedehnte Expeditionsfahrt an Bord eines Schiffs, der Beagle. Das Ziel dieser Expedition war es, die Küsten von Südamerika zu vermessen und anschließend über Australien und Afrika wieder nach England zurückzukehren. Die Reise sollte schließlich fünf Jahre dauern (1831–1836). Darwin legte auf seiner Reise umfangreiche Sammlungen von bis dahin in Europa völlig unbekannten Tier- und Pflanzenarten an und hielt seine Beobachtungen und theoretischen Überlegungen detailliert fest. Unter anderem studierte er die Vielfalt nah verwandter Finkenarten auf den Galapagos-Inseln. Er vermutete, dass sie alle von einer kleinen Siedlergruppe vom Festland abstammen. Er beobachtete weiters, dass Südamerika von anderen Tieren bevölkert war als Europa, diese aber ähnliche Anpassungen an ihre Habitate zeigten wie die Tiere Europas. Nach seiner Rückkehr beschäftigte er sich intensiv mit den Beobachtungen der Reise und entwickelte die Idee der Veränderlichkeit der Arten. Er hatte unter den Nachkommen einer Art geringfügige Unterschiede bemerkt – eine Variabilität bestimmter Merkmale. Er vermutete, dass je nach Umweltbedingungen die Bestangepassten am häufigsten überleben und ihre Merkmale weitervererben können („survival of the fittest“). In der Evolutionstheorie, die er schließlich formulierte, ist die natürliche Selektion oder Auslese der entscheidende Mechanismus. Darwin war sich bewusst, dass seine Evolutionstheorie als provokant empfunden würde. Er wollte daher vor der Veröffentlichung seiner Ideen so viele Beweise wie möglich anhäufen. Als ihm dann aber Alfred R. Wallace5 in einem Brief von dessen eigenen Beobachtungen und von sehr ähnlichen Schlussfolgerungen berichtete, beschloss er auf Drängen seiner Freunde, seine Theorie sofort zu veröffentlichen. Darwin publizierte also 1859 – mehr als 20 Jahre nach seiner Reise auf der Beagle – das Werk „On the Origin of Species by Means of Natural Selection“. Sein Buch wurde ein Bestseller und eines der einflussreichsten wissenschaftlichen Werke aller Zeiten. Es dauerte allerdings einige Zeit, bis die damalige Fachwelt Darwins revolutionäre Ideen über die Evolution allgemein akzeptierte. 1 George-Louis Leclerc de Buffon: französischer Naturforscher, 1707–1788 2 Georges Cuvier: französischer Zoologe und Paläontologe, 1769–1832 3 Jean-Baptiste Lamarck: französischer Botaniker und Zoologe, 1744–1822 4 Charles Robert Darwin: britischer Naturforscher, 1809–1882 5 Alfred Russell Wallace: britischer Naturforscher und Geograf, 1823–1913 Der Lamarckismus geht von der Vererbung erworbener Merkmale aus, diese Theorie hat sich nicht bestätigt Der Darwinismus postuliert die Vererbung von Merkmalen, die durch die natürliche Selektion begünstigt wurden Abb.10: Charles Darwin. 1 W/S Recherchiere den Einfluss der Veröffentlichung von Darwins Werk „The Origin of Species” auf das Weltbild der damaligen Zeit. Erörtere, ob wissenschaftliche Theorien oder Werke auch heute noch ähnliche Reaktionen hervorrufen können. 3.2 Mechanismen der Evolution Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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