47 Vererbungsregeln und Humangenetik Durch Morgans Untersuchungen war klar, in welchen Fällen Gene gekoppelt bzw. unabhängig vererbt werden. Daneben fand Morgan aber auch Abweichungen: Bei einigen Untersuchungen zeigte sich, dass bestimmte gekopppelte Gene zu einem gewissen Anteil „entkoppelt“ wurden (kAbb. 11). Wie kann das sein? Eingangs wurde schon der Vorgang des Crossing-over erwähnt, den du auch schon in der 6. Klasse kennen gelernt hast: Während der Meiose können sich homologe Chromosomen überkreuzen und dabei Chromosomenstücke austauschen (siehe am Puls 6, S. 56). Dadurch können Allele, die auf dem gleichen Chromosom liegen, voneinander getrennt werden. Die Trennung gekoppelter Gene ist umso unwahrscheinlicher, je enger die Gene beieinander liegen. Anders gesagt: Die Häufigkeit von solchen Entkopplungen ist ein Maß, mit dem man den Abstand von Genen voneinander bestimmen kann. Auf diese Weise lässt sich eine einfache Genkarte erstellen, also ein Schema des Chromosoms, in dem verzeichnet ist, in welcher Reihenfolge und in welchem Abstand welche Gene liegen (kAbb. 12). Dabei handelt es sich um relative bzw. genetische Genkarten. Heute werden mit molekularbiologischen Methoden auch absolute oder physikalische Genkarten erstellt, das heißt Genlängen und -abstände gemessen. Durch Crossing-over kann es zum Entkoppeln von gekoppelten Genen kommen Abb.11: Entkopplung durch Crossing-over: Gekoppelte Gene können „entkoppelt“ werden, wenn während der Meiose Crossing-over auftritt. Der gezeigte Vorgang bezieht sich auf eine Rückkreuzung, bei der das Weibchen heterozygot ist. Allele: B (grau) b (schwarz) V (normal) v (verkümmert) Merkmal: Körperfarbe Flügelform Phänotyp grauer Körper normale Flügel schwarzer Körper verkümmerte Flügel Genotyp 575 1150 965 575 1150 944 575 0 185 83% 17% 575 0 206 erwartete Zahlenverhältnisse bei unabhängigen Genen bei gekoppelten Genen tatsächliches Ergebnis Bei 17% der Nachkommen ist die Genkopplung aufgehoben. × BbVv BbVv BbVv Bbvv Bbvv bbvv bbvv bbvv bbVv bbVv doppelt heterozygot doppelt homozygot 0 67,5 67,0 57,5 48,5 100 hellbrauner Körper (B) Wildtyp rote Augen (C) glatte Beborstung (S) normale Flügel (V) Genkarte: Chromosom II Mutante schwarzer Körper (b, black) leuchtend rote Augen (c, cinnabar) raue Beborstung (s, scabrous) verkümmerte Flügel (v, vestigial) 17 b v 9 b c falls b – c – v, dann gilt 17 8 9 b c v falls c – b – v, dann gilt 17 26 9 c v b zwischen b und v: 17 % (k Abb. 4) Experimente liefern eine Rekombinationsfrequenz zwischen v und c von 9,5 %, damit ist die Reihenfolge b – c – v wahrscheinlicher. Absolute Angaben des Genortes sind nicht möglich. Es ergibt sich als mögliche Reihenfolge: zwischen b und c: 9 % c – b – v, dann ist die Rekombinationsfrequenz zwischen c und v (9 + 17), also ca. 26 % b – c – v, dann ist die Rekombinationsfrequenz zwischen c und v (17 – 9), also ca. 8 % Je häufiger zwei gekoppelte Gene durch Crossing-over getrennt werden, umso größer ist ihr Abstand auf dem Chromosom. Morgan definiert: Werden zwei Gene in einem von Hundert Fällen voneinander getrennt, ist die Rekombinationsfrequenz 1 % und der relative Genabstand beträgt 1 Centimorgan (cM). Für die Allele b (schwarzer Körper), c (leuchtend rote Augen), v (verkümmerte Flügel) ermittelte er folgende Rekombinationsfrequenzen: Mit Hilfe von Kopplungsdaten können Genkarten erstellt werden Abb.12: Relative Genkarten: Aus Kopplungsdaten lassen sich die relativen Abstände von Genen auf einem Chromosom bestimmen, wie hier beispielhaft für das Chromosom II von Drosophila gezeigt. Crossing-over und Genkarten Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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