Aufgaben 37 Grundlagen der Genetik Blick in die Forschung Der zelluläre Reparatur-Notdienst Irren ist menschlich… Wir alle machen Fehler. Auch auf molekularer Ebene kommt es ständig zu spontanen Schäden. In einer menschlichen Zelle sind es ca. 10 000 am Tag. Diese entstehen durch „molekulares Versagen“, also zB Fehler bei der Replikation der DNA, aber auch durch Einflüsse von außen, wie durch Gifte (etwa aus Zigarettenrauch) oder UV-Strahlung. Die Biochemikerin Dea Slade von der Universität Wien erforscht mit ihrem Team, wie die Zelle diese Schäden repariert. Diesen Reparaturmechanismen verdankst du dein Leben, denn ohne sie würden an allen Stellen deines Körpers laufend schadhafte Zellen entstehen, von denen viele zu Krebszellen werden. Die Erforschung des zellulären Reparatur-Notdiensts ist also auch eine Suche nach neuen, effektiven Krebstherapien1. Slade und ihr Team untersuchen DNA-Doppelstrangbrüche: Mit einem UV-Laser wird die DNA durchschnitten, ohne die Zelle zu töten. Dann lässt sich beobachten, welche Prozesse in Gang gesetzt werden, um den Schaden zu reparieren. Generell sind diese Abläufe sehr komplex: Viele verschiedene Troubleshooter-Proteine arbeiten an der Reparatur. Die Schwierigkeit ist die Beobachtung dieser molekularen Vorgänge. Beobachtung von Proteinen in Echtzeit Mit herkömmlichen Methoden lässt sich nicht detektieren, was nach dem Durchtrennen der DNA in der Zelle passiert. Folglich musste das Team um Slade gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus dem Feld Bio-Optics vom Vienna Biocenter eine eigene Mikroskopie-Technik entwickeln, um die Proteine in Echtzeit zu beobachten. Die FLIM-FRET-Technik (Fluorescence Lifetime Imaging-Fluorescence Resonance Energy Transfer, kAbb. 36) ist eine weltweit einzigartige Technik, mit der nun das Zusammenspiel zweier Proteine in der Zelle beobachtet werden kann. Dazu werden die potenziellen Bindungspartner mit unterschiedlichen Fluorophoren2 markiert. Das Besondere ist, dass das Emissionsspektrum des einen Bindungspartners mit dem Anregungsspektrum des anderen übereinstimmt. Wenn also beide Moleküle in Kontakt kommen, kann die Anregung des ersten Moleküls zur Anregung des zweiten führen. Anders gesagt: Wenn man nur das erste Molekül anregt, dann aber das zweite Molekül fluoresziert, weiß man, dass die Wechselwirkung erfolgt. Besonders bemerkenswert ist, dass es bereits einige Medikamente am Markt gibt, die auf Erkenntnissen dieser sehr neuen Technik beruhen, zB bei Eierstock- und Brustkrebs (PARP-Behandlung3). Die Therapie hat aber noch etliche Nebenwirkungen, was damit zu tun hat, dass noch nicht genau bekannt ist, was die Proteine genau tun. Dea Slade und ihr Team wollen das Wissen in diesem Bereich erweitern, um diese und zukünftige Therapien effektiver zu gestalten. Ihr Projekt ist also ein Teil der Suche der Menschheit nach einem Heilmittel gegen Krebs – welcher immerhin für ca. ein Viertel aller Todesfälle in Österreich verantwortlich ist. 1 Krebs: In Österreich ist Krebs die zweithäufigste Todesursache (nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen), siehe dazu auch S. 60 ff. 2 Fluorophor: fluoreszierende Stoffe, die bei Anregung durch bestimmte Lichtwellenlängen ihrerseits charakteristische Wellenlängen abgeben 3 PARP-Behandlung: benannt nach dem Enzym Poly(ADP-Ribose) Polymerase, das am Prozess der DNA-Reparatur beteiligt ist Abb.36: Die FLIM-FRET-Technik. Oben: Das Bild zeigt nur einen Teil der komplexen Apparatur: mit Linsen und Blenden wird ein UV-Laser gesteuert. Unten: Die Forscherinnen Dea Slade und Tanja Kaufmann analysieren ein Protein. 1 W/E Suche im Internet nach der Originalarbeit von Watson und Crick. Vergleiche diese ältere Arbeit mit einer der vielen im Buch angesprochenen neueren Publikationen (zB der ersten Seite der oben zitierten Publikation). Analysiere die Arbeiten (bzw. die erste Seite) hinsichtlich einiger Aspekte, etwa Sprache, Publikationsort, Zitate, Beschreibung der Methodik etc. Literatur Kaufmann, T.; Grishkovskaya, I.; Polyansky, A.A.; Kostrhon, S.; Kukolj, E.; Olek K.M.; Herbert, S.; Beltzung, E.; Mechtler, K.; Peterbauer, T.; Gotzmann, J.; Zhang, L.; Hartl, M.; Zagrovic, B.; Elsayad, K.; Djinovic-Carugo, K.; Slade, D.: A novel non-canonical PIP-box mediates PARG interaction with PCNA. In: Nucleic Acids Res. 2017, Vol. 45, I. 16, p. 9741–9759. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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