am Puls 8, Schulbuch

Aufgaben 30 Genetische Information wird zum Schweigen gebracht Laut dem zentralen Dogma der Molekularbiologie verläuft der Informationsfluss ausschließlich von der DNA über die RNA zum Protein. Die RNA nimmt hier also eine passive Rolle ein – sie dient als Überträgerin, als Botin. Unter bestimmten Bedingungen kann die RNA aber aktiv in die Bildung von Proteinen eingreifen. Die beim Spleißen anfallenden RNA-Schnipsel (als mikro-RNA bezeichnet) können an Abschnitte der DNA binden, die dann nicht mehr transkribiert werden können. Dieser Bereich wird also stillgelegt (Silencing). Die mikro-RNA kann auch in Keimzellen vorkommen und damit an Nachkommen weitergegeben werden. Die regulatorische Wirkung der mikro-RNA hat sich im Laufe der Evolution vermutlich aus der RNA-Interferenz (RNAi) entwickelt. Dieser Mechanismus wurde 1998 von Andrew Z. Fire1 und Craig C. Mello2 entdeckt, die dafür 2006 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhielten. Dieser Vorgang dient Zellen von Eukaryoten dazu, die Translation doppelsträngiger RNA zu verhindern. Doppelsträngige RNA stammt in der Regel von Viren und kann daher eine Gefahr für die Zelle darstellen (siehe S. 34). Ein Häcksler-Enzym (Dicer1) schneidet doppelsträngige RNA in Stücke von ca. 20 Basenpaaren (kAbb. 26a). Diese Fragmente werden dann von anderen Enzymen in Einzelstränge getrennt. Ein Enzymkomplex namens RISC (RNA-induced silencing complex) belädt sich nun mit einem der Stücke (kAbb. 26b) und erkennt damit weitere unerwünschte RNA an der Sequenz und zerschneidet diese (kAbb. 26c). Die Fremd-RNA wird so zum Schweigen gebracht. In der Gentechnik nutzt man diesen Vorgang, um bestimmte Gene zum Verstummen zu bringen. Genau genommen werden nicht die Gene, sondern die transkribierte RNA stillgelegt. 1 Andrew Z. Fire: US-amerikanischer Biologe, geb. 1959 2 Craig C. Mello: US-amerikanischer Biochemiker, geb. 1960 3 Dicer: to dice (engl.) = in Würfel schneiden Bei RNA-Interferenz wird doppelsträngige RNA zerschnitten, die als Fremdkörper eine Bedrohung für die Zelle darstellt Variabilität, Verwandtschaft, Geschichte und Evolution Der Mechanismus der RNA-Interferenz ist ein gutes Beispiel für einen Funktionswandel eines molekularen Mechanismus: Aus dem ursprünglichen Schutzmechanismus gegen Fremd-DNA entstand eine weitere Funktion als Regulationswerkzeug der Genexpression. Das Häcksler-Enzym zerschneidet doppelsträngige Viren-RNA in kurze Stücke. Ein Enzymkomplex (RISC) benutzt ein einzelsträngiges Fragment davon, um entsprechende RNA zu erkennen und durchzuschneiden. Die zerschnittene RNA liefert kein funktionelles Genprodukt mehr — das Gen ist ruhiggestellt. Der Enzymkomplex ist wieder frei für die nächste Fremd-RNA. doppelsträngige Fremd-RNA Fremd-RNA Enzymkomplex mit RNA-Fragment als Erkennungsstück Abb.26: RNAi. Beim Vorgang der RNA-Interferenz kann RNA zum Verstummen gebracht werden. Der Mechanismus dient dem Erkennen von Fremd-DNA (etwa von Viren), die als Doppelstrang vorliegt. 1 W Die RNA-Interferenz (RNAi) stellt für die zelleigene RNA keine Gefahr dar. Erkläre diese Tatsache. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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