am Puls 8, Schulbuch

Aufgaben 151 Bio- und Gentechnik Sterbehilfe – Erlösen vom Leid oder gesellschaftlich akzeptierte Tötung? Bioethik beschäftigt sich nicht nur mit Gentechnik, obwohl die Gentechnik-Debatte regelmäßig den Weg in die Schlagzeilen findet. Ein ganz anderer Bereich, der seit einigen Jahren immer wieder diskutiert wird, betrifft das Recht auf Leben. Krankheit, Leiden, Sterben, Tod – ständig wird der Mensch damit konfrontiert. Und jedes Mal stellt sich ihm (und seiner Umgebung) die Frage, wie damit umzugehen ist. Im Nationalsozialismus wurden als „unwert“ bezeichnete Menschen in so genannten Euthanasieprogrammen getötet. Das Erbgut der deutschen Reichsgemeinschaft sollte „verbessert“ werden. Nur noch starke und gesunde Dienerinnen und Diener des Führers sollten existieren. Heutzutage befürchten manche eine Wiederkehr dieses Euthanasiegedankens – versteckt unter dem Deckmantel der Eigenverantwortlichkeit. In vielen Ländern gibt es beispielsweise eine Debatte darüber, ob Menschen, die unheilbar krank sind und unter sehr starken Schmerzen leiden, sich mit Hilfe einer Ärztin oder eines Arztes umbringen dürfen (assistierter Suizid). Eigentlich ist dies Ärztinnen und Ärzten untersagt. Studien, etwa für den US-amerikanischen Bundesstaat Oregon, zeigen zudem, dass eher sehr alte und noch dazu oft depressive Menschen Sterbehilfe in Anspruch nehmen – obwohl laut Gesetz bei psychischen Problemen tödliche Mittel nicht verschrieben werden dürfen. Manche von ihnen wollten offenbar ihren Angehörigen nicht zur Last fallen. Alternativen bieten die Palliativmedizin, die mit individueller Betreuung und Medikamenten das Leiden zu mildern sucht; die Hospizbewegung, die das natürliche Sterben in Begleitung ermöglicht; die bessere Unterstützung von Menschen mit Behinderungen und Krankheiten sowie ihrer pflegenden Angehörigen (kAbb. 26). Sind Behinderungen oder Krankheiten Grund genug, dem Leben ein Ende zu setzen? Abb.27: Eine alte kranke Frau und ihre Betreuerin. Wie viel ist es uns wert, kranken Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen? Verschiedene Formen von Sterbehilfe Man unterscheidet verschiedene Formen von Sterbehilfe: aktive, indirekte und passive Sterbehilfe sowie assistierten Suizid (Beihilfe zur Selbsttötung). Die Tötung einer Person auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin durch eine aktive Handlung, beispielsweise die Verabreichung von Medikamenten in tödlicher Dosis, wird als aktive Sterbehilfe bezeichnet. Bei der indirekten Sterbehilfe werden der oder dem Erkrankten Medikamente verabreicht, die kurzfristig den Zustand verbessern, indem sie Schmerzen, Erstickungsgefühle oder Todeskampf in den letzten Lebenstagen oder -stunden unterbinden, zumindest aber abmildern. Eine solche Medikation führt jedoch oft zu einem früheren Tod, zB weil die Atmung schwächer wird. Unter passiver Sterbehilfe versteht man unterlassene oder eingestellte Handlungen (zB Verzicht auf künstliche Beatmung) während des Sterbeprozesses. Mit Hilfe einer Patientenverfügung kann bereits zu Lebzeiten festgehalten werden, was im Zweifelsfall seitens der Ärztinnen und Ärzte unterlassen werden soll, beispielsweise so genannte lebensverlängernden Maßnahmen wie künstliche Ernährung oder Reanimation. Wenn eine Person Suizid durch die Einnahme eines potenziell tödlichen Medikaments begehen möchte, und dieses von einer dritten Person zur Verfügung gestellt wird, spricht man von assistiertem Suizid. Dabei ist entscheidend, dass das Medikament von der sterbewilligen Person selbst eingenommen werden muss, da es sich andernfalls um aktive Sterbehilfe handeln würde. Die Gesetzeslage bezüglich der Sterbehilfe ist in allen Ländern unterschiedlich. Aktive Sterbehilfe ist jedoch fast überall verboten. In Österreich ist – unter bestimmten Voraussetzungen – die indirekte und passive Sterbehilfe erlaubt. Seit 2022 ist auch der assistierte Suizid unter strengen Vorgaben in ganz bestimmten Fällen gestattet. Sowohl die Befürworter als auch die Gegner von Sterbehilfe haben Argumente für ihre jeweiligen Standpunkte. Dabei sind v.a. zwei Punkte von entscheidender Bedeutung: das Menschenbild/ die Selbstbestimmtheit, sowie die Frage nach der tatsächlichen Freiheit der Entscheidung in dem jeweiligen Augenblick. 1 S Liste Argumente für bzw. gegen verschiedene Formen der Sterbehilfe auf. Du kannst diese in deinem Freundeskreis, bei Verwandten oder im Internet sammeln und vielleicht auch Lehrerinnen und Lehrer aus Religion, Philosophie oder Wirtschaft befragen. Begründe deine eigene Haltung dazu und diskutiert darüber in der Klasse. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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