Aufgaben 147 Bio- und Gentechnik Gentests können „das Menschsein verändern“ Im Interview mit der Zeitung „Der Standard“ zeigte der amerikanische Krebsforscher Siddhartha Mukherjee auf, wie schwierig es ist, mit dem Wissen um Mutationen in den eigenen Genen und entsprechenden Therapien umzugehen (Standard.at: Gentherapie: „Das Menschsein wird sich verändern“). Er erzählte: „Eine Patientin, Trägerin der BRCA1-Mutation, kam unlängst zu mir. Durch diese Mutation hat sie ein signifikant höheres Brustkrebsrisiko. Ich kann ihr aber nicht sagen, ob sie, und wenn, in welchem Alter, erkranken wird. Sie wollte auch ihre Töchter genetisch testen lassen. Diese Mädchen sind neun und elf Jahre alt, haben also noch nicht einmal eine Brust. Was würde das genetische Wissen um diese Mutation für zwei heute gesunde Mädchen bedeuten? Das, was bei so einem Test herauskommt, sind nur Wahrscheinlichkeiten. Das Wissen darum hätte aber trotzdem enorme Auswirkungen.“ Wie gehen wir mit Gentests und entsprechenden Therapieansätzen um? Personalisierte Medizin? Nicht nur in der Krebsforschung träumen viele Wissenschafterinnen und Wissenschafter von einer „personalisierten Medizin“. Für jeden Menschen könnte es dann aufgrund seiner ganz spezifischen genetischen Ausstattung eigene Medikamente geben – oder eben Therapien mit Genfähren, Plasmiden usw. Dabei stellen sich mehrere Fragen: Was mache ich mit dem Wissen, Gene zu besitzen, die potenziell oder tatsächlich zu einer Erkrankung führen – v.a. wenn ich gegebenenfalls nichts daran ändern kann? Was ist mit Krankheiten, die von Mutationen in mehr als nur einem Gen verursacht werden? Wie gehe ich mit der Tatsache um, dass das bloße Vorhandensein solcher Mutationen nicht bedeuten muss, dass eine Krankheit ausbricht – denn das wird eventuell auch von epigenetischen Faktoren, meinem eigenen Verhalten (Rauchen, Ernährung, …) und anderem beeinflusst? Was bedeutet ein solch kostenintensiver Ansatz für unser Gesundheitssystem? Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten, aber gesellschaftliche Entwicklungen könnten einen gewissen Druck in eine bestimmte Richtung ausüben. Im folgenden Abschnitt werden wir uns deshalb mit Fragen auseinandersetzen, auf die es nicht immer klare Antworten gibt. Wie geht man mit dem Wissen um eigene Gene um, die möglicherweise zum Ausbruch einer Krankheit führen? Pränataldiagnostik und Abtreibung – welches Kind darf leben? Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Österreich innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate nach einer Beratung durch eine Ärztin oder einen Arzt möglich (Fristenlösung). Allerdings gibt es Ausnahmen, zB wenn eine schwere geistige oder körperliche Behinderung des Kindes zu erwarten ist. Bei einer diagnostizierten Behinderung oder schweren Erkrankung des Fötus entschließen sich viele Paare zu einer Abtreibung. Derzeit gibt es keine verlässlichen Statistiken in Österreich, doch mit zunehmenden Diagnosemöglichkeiten nimmt der Anteil von Babys mit Trisomie 21 ab. Laut Hochrechnungen eines internationalen Wissenschafterteams gab es 2015 in Europa 419 000 Menschen mit Trisomie 21. Ohne Abtreibungen wären es 574 000 gewesen. Für Österreich errechneten sie, dass im Zeitraum 2011–2015 61 % aller Embryonen mit Trisomie 21 abgetrieben wurden, also war mehr als im europäischen Durchschnitt (54 %). Der österreichische Behindertenrat schrieb im März 2019: Eine „Differenzierung von behinderten und nicht behinderten Ungeborenen zum Nachteil der behinderten Ungeborenen stellt eine klare Diskriminierung dar und widerspricht der Antidiskriminierungsklausel in der Bundesverfassung Art. 7, sowie der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.“ Wer sich für eine Abtreibung entscheidet, trifft diese Entscheidung nicht leichtfertig. Jeder Einzelfall ist besonders, weshalb man vorsichtig mit Verurteilung sein sollte, insbesondere, wenn das Kind schwer leiden würde. Man könnte aber die Frage stellen, ob nicht eine angemessene Unterstützung betroffener Familien, eine in der Gesellschaft deutlich zum Ausdruck gebrachte Akzeptanz für Menschen mit Behinderungen und schweren Krankheiten sowie gegebenenfalls die Freigabe zur Adoption so manche Abtreibung verhindern würde. Darf man vermutlich behinderte Kinder abtreiben? 1 W Recherchiere, welche Gentherapien derzeit in Europa zugelassen sind und welche Krankheiten damit behandelt werden sollen. Du kannst dafür zB die Webseiten des deutschen Paul-Ehrlich-Instituts oder des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller nutzen (Stichwort: Gentherapeutika). Zusatzaufgabe für besonders Interessierte: Wähle eine Krankheit aus, gegen die eine Gentherapie zugelassen ist. Stelle die Krankheit und die Wirkweise der Therapie in einem Vortrag vor. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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