Aufgaben 144 Aktuelle Entwicklungen in der Gentherapie Trotz anfänglicher Rückschläge hat sich die Gentherapie seither vielversprechend entwickelt. Im Gegensatz zu den zu Beginn verwendeten Adenoviren werden nun zB Adeno-assoziierte virale Vektoren verwendet. Diese können sich nicht von alleine replizieren und sind selbst nicht mit Krankheiten assoziiert. Das Risiko, dass sich ihr virales Genom an einer Stelle integriert, wo es nicht hin soll, ist viel geringer. Das macht die Anwendung sicherer. Einige erfolgreiche gentherapeutische Behandlungsmethoden wurden seither entwickelt und zugelassen, wie zB gegen eine erbliche Netzhauterkrankung, die zuvor zur Erblindung der Patientinnen und Patienten geführt hat. Diese Krankheit wird durch eine Mutation des RPE65-Gens verursacht, das für ein Enzym codiert, ohne das die Sehzellen nicht arbeiten können. Mit Hilfe eines Adeno-assoziierten Virus wird durch Gentherapie in den Netzhautzellen eine gesunde Version des Gens eingefügt. Dies führt zu guten Behandlungserfolgen und in vielen Fällen zur Erhaltung der Sehfähigkeit. In der EU wurde diese Behandlung 2018 zugelassen. Weitere gentherapeutische Behandlungen, die in der EU bereits die strikten Zulassungsverfahren durchlaufen haben, wirken gegen weitere schwere Erbkrankheiten unter anderem gegen spinale Muskelatrophie, gegen ß-Thalassämie und gegen aggressive Formen von Blutkrebs. Einige Gentherapien gegen schwere Erbkrankheiten sind in der EU bereits zugelassen 1 W Recherchiere und beschreibe die Krankheit ß-Thalassämie in wenigen Sätzen. Wie wirkt sich die Genmutation aus? 2 S Gentherapeutische Behandlungen sind sehr teuer. Die Kosten dafür orientieren sich am Herstellungsaufwand, und da hier aufwändige Forschung betrieben wird, sind auch die Behandlungen teuer. Dies bedeutet gleichzeitig, dass nicht alle von Erbkrankheiten betroffenen Personen auch Zugang zu den neuen Therapien haben. Wie siehst du dieses finanzielle Dilemma? Sollte aus diesem Grund überhaupt noch an solchen Therapien geforscht werden? Diskutiert mögliche Lösungen in der Klasse. Somatische Gentherapien vs. Eingriffe in die Keimbahn Die beschriebenen Behandlungsmethoden gehören alle zur somatischen Gentherapie. Die somatische Gentherapie hat großes Potenzial, dort wo es um die Behandlung von monogenetischen Erbkrankheiten1 geht. Auch bei Krebserkrankungen weckt sie große Hoffnungen: Dabei werden Körperzellen, die Gendefekte besitzen, mit intakten Genen versorgt. Die korrigierten Gene werden aber, da es sich bei den behandelten Zellen um Körperzellen und nicht um Keimzellen handelt, nicht weitervererbt. Das heißt, es ist immer nur die behandelte Person selbst von den genetischen Korrekturen betroffen, keine potenziellen Nachkommen. Das Risiko von gentherapeutischen Eingriffen in der Keimbahn ist im Gegensatz zur somatischen Gentherapie nicht berechenbar. Das kommt daher, dass genetische Veränderungen an Eizellen, Spermien oder Zygoten an die Nachfahren weitervererbt werden. Aus diesem Grund ist dieses Vorgehen in den meisten Ländern, so wie auch in Österreich, strikt verboten. Der einzige der Öffentlichkeit bekannte Fall ist jener eines chinesischen Biologen, der 2019 mit zwei seiner Mitarbeiter zu Haftstrafen verurteilt wurde, weil er zuvor menschliche Embryonen genetisch manipuliert hatte, um diese vor einer Infektion mit HIV zu schützen. Die Babys, die sich aus den beiden Embryonen entwickelten, wurden 2018 in China geboren. Viele Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft reagierten auf dieses Experiment mit massiver Kritik und Ablehnung. 1 monogenetische Erkrankung: Erkrankung, die durch eine Mutation in einem einzigen Gen verursacht wird und meist ererbt ist Ein Eingriff in die Keimbahn ist im Gegensatz zur somatischen Gentherapie strikt verboten, da die Risiken nicht abschätzbar sind Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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